Video on Demand

Für den aktuellen Video on Demand-Markt (im Speziellen Amazon Prime Video, Netflix und Crunchyroll, aber auch alle anderen Player) gibt es aktuell - Stand Ende 2024 - aus meiner Sicht nur einen einzigen passenden Begriff: WTF?!

Als die ersten Online-Videoangebote irgendwann in den 90’ern an den Markt gingen, war es wohl noch unklar, ob sich das Geschäftsmodell durchsetzen würde. Schnelle DSL-Anschlüsse gab es noch nicht in ausreichender Menge (und selbst heute dümpeln einige ländliche Regionen gerade mal so mit DSL-Minimalgeschwindigkeit herum), aber die folgenden Jahre zeigten, dass die VOD-Anbieter auf das richtige Pferd gesetzt hatten. Das Angebot war auch zu verlockend: Filme dann sehen wenn man wollte und vor allem konnte man selber entscheiden, wann man kurze Pausen einlegen wollte. Die lästige Werbung des Free-TV fiel in der Regel ja weg.

Während man damals in der Regel für jeden gestreamten Film einzeln zahlen musste, sind spätestens seit Netflix und Disney+ Flatrates eher die Regel. Ein monatlicher Beitrag, dafür Filme schauen so viel das Angebot hergibt. Oder man macht es wie Amazon und bietet viele Filme im Rahmen des Prime-Abos an, für die aktuelleren Filme oder solche, die nicht entsprechend lizensiert oder nur im Rahmen von Channel-Abos enthalten sind, zahlt man trotzdem extra. Und irgendwo zwischen All-Inclusive-Abo und Einzelfilm-Gebühr bewegt sich heute nach wie vor die gesamte Medienlandschaft.

Seltsame neue Wege zurück in die digitale Steinzeit

Gerade Amazon ging aber in den letzten Monaten recht sonderbare neue Wege. Naja, neu ist vielleicht das falsche Wort dafür. Neben den VOD-Angeboten gab es plötzlich für viele Channel-Abos auch wieder lineare Streams. Ja, richtig, wie im guten alten Fernsehen, eine vorher feststehende Reihenfolge von Filmen udn Serien, die nacheinander abgespielt werden. Dabei war doch die freie Wahl, wann man was schauen möchte, eines der stärksten Argumente der VOD-Anbieter seinerzeit. Aber gut, man konnte weiterhin jeden Film im jeweiligen Angebot auch jederzeit schauen, also tat ich das als eine Merkwürdigkeit ab und dachte nicht weiter darüber nach.

Neuerdings gingen allerdings mindestens Amazon wie auch Netflix noch einen Schritt zurück ins digitale Zeitalter. Ganz in Google-Manier entschied man sich, den Kunden dann doch noch etwas mehr Werbung, die niemand will oder braucht (außer den Werbetreibenden, versteht sich), auf den Bildschirm zu pflanzen. Netflix preschte voran, änderte das bestehende Abomodell einseitig ab und schaltete fortan bei den günstigen Abos nach einer bestimmten Zeit Werbung in die Filme und Serien. Natürlich ganz im Sinne des Kunden, versteht sich. Man könne ja das teurere Premium-Abo abschließen, da sei dann keine Werbung enthalten. Premium, my ass. Meine Kündigung des Abos war noch am selben Tag ausgesprochen. Amazon zog inzwischen nach, auch hier wird im Standard-Programm Werbung in die Filme geschaltet. Wie es bei Disney+ derzeit aussieht weiß ich nicht, aber ich könnte wetten, dass es da auch nicht mehr lange dauern wird.

Vermutlich schielten die Entscheider einfach wieder einmal zu oft zur Datenkrake und ehemaligen “don’t be evil”-Strahlemann Google. Denn dort wird schon seit geraumer Zeit nervige Werbung in die kostenlosen Youtube-Videos geschaltet, die man gegen eine komplett freiwillige monatliche Gebühr selbstverständlich (“Schönen Videokonsum haben Sie da! Wäre doch schade, wenn diesem etwas zustoßen würde!”) abschalten kann. Auch dem Livestream-Konkurrenten Twitch gefallen häufige Werbeeinblendungen, hier muss man sogar noch mehr freiwillige Spenden leisten, um die Shows halbwegs genießen zu können. Alles nur positive Überredungsmasse, um den Streamern ihr hart erarbeitetes Geld zu sichern, bestimmt.

Quo vadis, VOD?

Was die Verantwortlichen bei diesen Entscheidungen geritten hat? Keine Ahnung. Ich habe damals, vor nun über 20 Jahren, aus guten Gründen meinen Fernseher abgeschafft. Lineares Fernsehen ist so 1990er, ich dachte eigentlich, dass wir inzwischen mindestens bei den internetbasierten Diensten von zwischengeschalteter Werbung und festen Programmzeiten so weit weg waren, dass niemand freiwillig dorthin zurück wollte. Und während der Kündigungs-Klick bei Netflix mir noch relativ leicht fiel, macht es mir Amazon ungleich schwerer. Bezos hat eines richtig gemacht, aus Unternehmenssicht: An dem monolithischen Prime-Abo hängt deutlich mehr als nur das VOD-Angebot, und würde ich es kündigen, müsste ich erst einmal rechnen, ob ich mir damit nicht finanziell ins eigene Fleisch schneide.

Während also lineares Videoschauen derzeit noch eher die Ausnahme bleibt, wird der Kunde wieder wie früher mit permanenter und nervtötender Werbung gequält. Es sei denn, natürlich, er wirft noch etwas mehr Geld als sowieso schon auf die klingelnden Konten der großen Anbieter. Ist ja alles nicht so schlimm, ist ja kein Zwang, ganz bestimmt keine weitere Maßnahme, um die Kunden bis zum letzten Cent zu melken. Die armen Multi-Milliarden-Unternehmen müssen schließlich auch von etwas leben.

Und mir als gemolkenem Kunden bleibt dann leider nur, die Services, die einst das Diktat der privaten Sendeanstalten ins Wanken gebracht hatten und mit Freiheit warben, einen nach dem anderen abzuwatschen und wieder anderweitig zu investieren.

Ich finde das alles sehr schade und bin gespannt, wie sich die Zahl der Raubmordkopierer in den nächsten Jahren verändert. Ich habe da so eine Ahnung.

Wenn ich mir was wünschen dürfte, Liebe Rechteverwerter…

…dann wäre das:

  • Ein VOD-Anbieter, der mir als zahlendem Kunden keine Werbung aufzwingt. Preist euer Angebot von Anfang an so ein, dass ihr auch ohne überleben könnt.
  • Ein VOD-Anbieter, der nicht versucht, mich auf verschlungenen Pfaden wieder zu linearen Sendeplänen zurück zu bringen. Won’t happen.
  • Ein VOD-Anbieter, der mir nicht mit DRM-Maßnahmen das Filmerlebnis unter Linux verleidet. Lasst den Mist, ernsthaft! Auch wir Nerds schauen gerne hochauflösende Filme.
  • Ein VOD-Anbieter, der mich als Kunden fair behandelt. Ihr verkauft mir nur das Nutzungsrecht für eure Inhalte, könnt mir also gekaufte Filme aus der Bibliothek löschen, wenn ihr die Lizenz verliert oder auslaufen lasst? Schämt euch! (Das geht auch an Spiele-Distributoren, by the way!)
  • Ein VOD-Anbieter, der es mir erlaubt, für mich verfügbare oder gekaufte Filme auf beliebigen Geräten herunterzuladen und abzuspielen. Unbegrenzt, ohne DRM.
  • Ein VOD-Anbieter, der mir die größtmögliche Anzahl an Filmen und Serien bietet. Ich habe keine Lust, dauernd 3-4 Abos bei verschiedenen Anbietern laufen zu haben, nur um halbwegs das zu bekommen, was ich möchte.

Wir leben im 21. Jahrhundert! Mir kann keiner erzählen, dass das alles nicht geht. Fakt ist: Ihr wollt nicht. Und ich hoffe, dass irgendwann genug Leute bemerken, was ihr abzieht, und euch abwatschen. Vielleicht kommt dann irgendwann einmal der Gedanke bei euch durch, wieder gute und kundenfreundliche Services für euer Geld anzubieten, die sich am Bedarf orientieren und nicht nur an eurem Profit.

Und Argumente wie “DRM schützt unser Eigentum” könnt ihr euch sparen, liebe Rechteverwerter: Schaut euch im Internet um: Auch mit DRM landen eure Filme auf diversen Plattformen. Ihr verzögert deren Decodierung nur minimal, verhindern tut DRM gar nichts - außer, dass legal erworbene Inhalte überall auf Endgeräten sauber abgespielt werden können. Die einzigen, die unter euren sinnlosen Maßnahmen zu leiden haben, sind die Verbraucher, die für die zusätzlichen Investitionen auf eurer Seite und teure kompatible Geräte zahlen müssen. Die, die technisch nicht versiert genug sind, sich ggf. selber zu helfen, also der Großteil eurer Kunden. Derzeit sorgt ihr jedenfalls selber dafür, dass Filmpiraterie wieder interessanter wird, als Filme direkt bei euch zu konsumieren. Wie wäre es zur Abwechslung mal, für anstatt gegen die Verbraucher zu arbeiten?