WHY2025
Da war es wieder, das berühmte Holland-Hackercamp. Nachdem ich 2017 bereits auf der SHA2017, 2019 auf dem dem Chaos Communication Camp und 2022 auf der der MCH2022 dabei war, stand nach dem Aussetzen des Chaos Communication Camp 2023 mal wieder ein chaosnahes Camp in den Niederlanden an. Unter dem Motto “What Hackers Yearn” fand vom 08.08.2025 bis zum 12.08.2025 die WHY2025 nördlich von Amsterdam statt.
Schon in den Tagen und Wochen vor der WHY zeichnete sich an einigen Stellen ab, dass dieses Camp kein ganz normales sein würde und dass der Gedanke “Why?!” getreu dem diesjährigen Motto etwas öfter durch die Köpfe der Veranstalter und der Besucher schießen sollte. Denn wer hatte auf seiner Bingokarte schon brandgefährliche Gadgets stehen, die an jeden Besucher ausgeteilt werden sollten? Genau - Bingo!
Aber ich berichte besser von ganz vorne.
Vorbestellung, Vorfreude, Depressionen
Schon direkt im Anschluss an den Chaos Communication Congress 2024 ging der Vorverkauf für die WHY2025 los. Da ich zuletzt 2022 auf einem Camp war, brannte es mir gehörig unter den Fingernägeln, meine lieben Freunde vom Geraffel und einige Kollegen und ehemalige Mitarbeiter wiederzusehen, das alles verbunden mit strahlender Sonne (das hofft man jedenfalls jedes mal), Musik, durchgemachten Nächten, spannenden Vorträgen und natürlich neuen Freundschaften. Der Klick im Bestellformular war also unausweichlich. Einige Zeit darauf entschloss sich auch ein guter Freund, hinzufahren, und da wir beide aus Berlin anreisten, entschlossen wir, gemeinsam zu fahren.
Fast forward bis etwa zehn Wochen vor dem Event. Meinereiner leidet unter immer lähmenderen depressiven Phasen, die letztendlich zu in einer zweimonatigen Krankschreibung ihren Höhepunkt fanden. Prima, so kurz vor dem Camp. Ich hatte schon beinahe dioe Hoffnung aufgegeben, überhaupt dorthin zu fahren und war kurz davor, einigen Kollegen kurzfristig mein Ticket anzubieten, denn krankgeschrieben auf ein Camp fahren - nein danke, selbst wenn das Erlebnis selbst mit Sicherheit antidepressiv und damit gesundheitsfördernd gewirkt hätte. Das Risiko, dennoch dafür sanktioniert zu werden, nicht arbeiten aber feiern zu können, hätte ich nicht tragen wollen.
Doch dann kam alles anders als befürchtet. Durch Kontakte in der Szene kam ich zu einer Therapiemethode, über die ich an anderer Stelle noch ausführlich schreiben werde - versprochen! Diese wirkte jedenfalls schnell und schlagkräftig, sodass ich bereits nach wenigen Wochen wieder das Gefühl hatte, langsam ins Leben zurückzukehren. Und so nutzte ich die hinzugewonnene Energie, packte den Seesack voll,m kümmerte mich darum, dass dieser und mein Zelt von einem Bekannten mit dem Auto vor Ort gebracht wurde und bekam auch noch einen großen Hartschalenkoffer sowie den Wanderrucksack bis oben hin voll. Und dann, drei oder vier Tage vor der Abreise, legte mich ein grippaler Infekt noch einmal ein Wochenende und zwei Arbeitstage lahm - ich arbeitete also letztendlich genau einen Tag und hatte direkt Urlaub. Sieht aus wie geschicktes Timing, war aber ganz einfach nur Pech und ich hatte meine liebe Mühe, mir diesen Zufall nicht selber vorzuwerfen.
Doch auch andere eher negative Dinge passierten in dieser Zeit. Bereits Monate vor dem Camp bastelten Hardware-begeisterte Menschen an der Badge, die in diesem Jahr an die Besucher ausgegeben werden sollte. In den letzten Jahren kam es immer öfter vor, dass zusätzlich zum Ticket für das eigentliche Event noch kleine elektronische Gadgets entweder im Ticketpreis enthalten waren oder für ein paar Euronen zusätzlich geklickt werden konnten. So gab es diverse Badges, die mit LEDs, Bildschirmen und Sensoren für Umwelt und Gesundheit zum Basteln einluden und zumindest auf dem Event miteinander interagierten. Von der DIY-Armbanduhr über das handgroße Namensschild bis hin zur vollausgestatteten SDR-Plattform war fast alles dabei. Doch dieses Jahr wollten die Hardware-Hacker alle anderen Badges in den Schatten stellen. Es manifestierte sich ein Gerät, das nicht nur wie üblich mit WLAN für zeitnahe Updates und Kommunikation ausgestattet war, sondern auch noch über einen großen Farbbildschirm sowie eine Hardware-Tastatur verfügte. Bisher unspektakulär, doch das Schmankerl an dem Platinchen waren zwei große 18650-Akkus auf der Rückseite sowie ein LoRa-Funkmodul, mit dem bei minimalem Energieaufwand über weite Strecken gefunkt werden kann. Die Möglichkeit, eigene Apps zu schreiben und hochzuladen, lud zu vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten ein und die Vorfreude war entsprechend groß.
Die Badge, WHY?
Dann gleich zwei weitere Rückschläge kurz hintereinander: Offenbar war bei einem der Zulieferer für die Bauteile der knapp 3500 Badges etwas schief gelaufen und man stand auf einmal, wenige Tage vor dem Event, ohne Spacer da. Spacer sind in diesem Fall flache Plastikschablonen, die zwischen das Mainboard und die obere Deckplatte gesteckt werden, in die die Tastatur eingelassen ist. Ohne diese Spacer ist das Gerät im Grunde nicht zu benutzen, da instabil. Im dennoch möglichst viele Geräte vor Ort ausgeben zu können, wurde ein Aufruf an die Community gestartet, mit dem Ziel, möglichst viele Spacer mit den in vielen Haushalten stehenden 3D-Druckern zu erstellen und vor Ort abzuliefern. Und hell yeah, bis auf wenige hundert Rahmen haben wir alle zusammen einen Großteil der Gehäuseteile liefern können - in den wildesten Farben, aber das war kein großes Thema.
Der zweite Hammer kam dann kurz darauf, immer noch wenige Tage vor dem Camp. Das Design des Boards war grundlegend ein besserer Brandsatz, stelle sich heraus. Einige stromführende Leiterbahnen lagen zu dicht beieinander und konnten so bei einer Beschädigung des Boards schnell einen Kurzschluss herbeiführen. Die Sicherungen, die dies hätten verhindern können, lagen teilweise am Ende langer parallel verlaufender Leiterbahnen und waren so größtenteils nutzlos. Dazu kam, dass das Badge-Team sich dazu entschlossen hatte, ungeschützte 18650-Akkus zu verwenden und auszuteilen, die keinerlei Schutz vor zu hohen Strommengen boten und im Zweifel einfach weiter lieferten, auch wenn Bauteile schon weiß glühten. Durch diese fragwürdige Entscheidungen sowie die verbauten Akkuträger, in die aufgrund deren Überlänge keine geschützten Akkus gesteckt werden konnten, wurden immer mehr Stimmen laut, die mindestens forderten, die Geräte nicht mit Akkus zu betreiben und teilweise sogar so weit gingen, zu fordern, dass die Akkuträger unbrauchbar zu machen seien und die ungeschützten Akkus nicht ausgegeben werden sollten. Alles in allem also viel Hin und Her, doch am Ende sollten die Badges mit leichten Modifikationen (einige Kontakte wurden mit Epoxidharz nachisoliert) und einem Warnhinweis, dass die Akkus bei Lagerung zu entfernen seien, ausgegeben werden. Durch Verzögerungen vor Ort durch besagte Nachbeschichtung kam es jedoch zu starken Verzögerungen, sodass auch am Ende des Camps immer noch Menschen auf ihre Badges warten - die Kommunikation während des gesamten Camps seitens der Badge-Crew war aus meiner Sicht auch eher unterdurchschnittlich, um es mal freundlich auszudrücken. Grund für den ganzen Schlamassel mag ein Streit des ursprünglichen Badge-Teams mot der Camp-Organisation gewesen sein, der dazu führte, dass mindestens ein Teil dieses Teams die Arbeit an der Badge einstellte und das neue oder ergänzte Team seine liebe Not hatte, die gemachten Versprechen einzuhalten. Das ist allerdings alles Hörensagen und daher sicher auch nicht die ganze Wahrheit.
Die “Glücklichen”, die dann doch irgendwann ihre Badge in den Händen hielten, hatten dann jedenfalls auch zu großen Teilen keine richtige Freude daran. Bei der ersten Inbetriebnahme installierte das Gerät erwartungsgemäß erst einmal die neuesten Firmware-Updates. Und noch einmal. Und noch einmal. Der Update-Prozess war - sagen wir mal - undurchsichtig bis frustrierend und so manche Badge startete danach gar nicht mehr. Sie durfte dann über einen Web-Updater (Achtung: NUR Chrome oder Edge und NUR über den linken USB-Port) gepatcht werden, was bei den meisten Betroffenen wohl auch half. Nach einem endlos erscheinenden Sponsor-Reel, der eigentlich nur beim ersten Start auftauchen sollte, leider aber anfangs noch nach jedem Firmware-Update einige Minuten vom Geduldsfaden abriss, tauchte dann endlich irgendwann das App-Menü auf. Mit 11 vorinstallierten Apps (Snake, Doom, … aber weder einer Möglichkeit, sich mit einem Nicht-WHY-WLAN zu verbinden, noch einem Appstore-Client, um Apps direkt zu laden), von denen vielleicht drei oder vier nutzbar waren konnte man nicht wirklich viel anfangen. Selbst die eigentlich übliche Badge-App (“zeige meinen Namen auf dem Bildschirm an, damit ich die Badge als Namensschild nutzen kann”) existierte bis zum vorletzten oder letzten Tag nicht. Sprich: Die Badge war quasi das gesamte Event über nicht nutzbar und auch jetzt, Tage später, suche ich immer noch nach einem Einsatzzweck. Weder gibt es eine LoRa-Chat-App, noch einen App Store: Apps muss ich mir manuell herunterladen, sofern sich dann jemand erbarmt hat, sie zu erstellen, dann das binary in eine eher undurchsichtige Ordnerstruktur auf eine Micro-SD-Karte laden und dann die Badge auseinanderbauen (wer ein Gehäuse gedruckt hat muss dieses entfernen, wer die Platine “blank” benutzt muss mindestens eine Schraube lösen, um das Tochterboard für die SD-Karte zu entfernen, denn die Akkuhalter verhindern ansonsten ein Einsetzen oder Entfernen der Karte), danach das Gerät neu starten und hoffen, dass die neuen Apps dann auch auftauchen.
Aber reiten wir nicht zu sehr auf der Badge herum, vielleicht bin ich ja auch einfach nur ein wenig empfindlich.
Merch-Fuckup, Lautstärkeregeln auf leeren Feldern und Notstrom
Vom Folgenden war ich zum Glück nicht direkt betroffen, aber eine dritte Nachricht geisterte in den Tagen vor dem Event durch die Infokanäle. Beim Besticken/Bedrucken der Merch-Klamotten, die man sich ebenfalls hatte vorbestellen können, sei es zu Fehlern gekommen; Vorder- und Rückseite einiger Kleidungsstücke sei zusammengenäht worden, man könne nicht sicherstellen, dass alle den bestellten Merch vor Ort mitnehmen können. Es sei nur eine kleine Anzahl an Bestellungen betroffen und man werde diese wahlweise erstatten oder direkt nach Hause liefern. Immerhin, trotzdem ein weiterer Dämpfer, der diesmal jedoch wohl außerhalb der Verantwortung des Merch-Teams lag. Kann passieren, trotzdem blöd.
Und dann natürlich das Übliche, denn in den letzten Jahren scheint sich so manche Camp-Orga einen Spaß daraus zu machen, den lauteren Villages auf den Camps einen Stein nach dem anderen in den Weg zu legen. Bereits in den Vorjahren fiel auf, dass gerade bei meinem Village, dem Geraffel-Village, sowie anderen Villages wie Milliways, mehr und mehr die Partykultur verboten wird. Nicht falsch verstehen, ich (und wir) habe(n) größtes Verständnis dafür, dass die meisten Besucher durchaus so etwas wie ein Schlafbedürfnis haben und dieses gerne nachts ausleben möchten. Deswegen findet meist auch schon Wochen oder Monate im Voraus ein Verhandeln mit den Veranstaltern statt, wo man denn die lauten Villages am besten platziert, um den Partygängern ihre Party und dem Rest seinen Schlaf zu ermöglichen. Meistens wird das zuverlässig erreicht, indem man einzelne Zonen des Camps als “laut” definiert, das öffentlich sichtbar macht und die ganz lauten Villages nach ganz außen schiebt. Mehr als ein leises Basswummern hört man in den anderen Bereichen so in der Regel nicht. Wieso man uns als sehr lautes und feierfreudiges Village dann in einem Jahr direkt neben das CERT (Chaos Emergency Response Team, quasi das Sanitätszelt) platziert erschließt sich mir nicht, vielleicht war das ja auch nur ein Ausrutscher, wer weiß. Dieses Jahr saßen wir jedenfalls ganz außen in der lauten Zone, weit weg vom Family- und Ruhebereich, auch das CERT war nicht wirklich in Hörnähe. Alles gut also, der Bereich um unser Village herum war auch bis auf einige Hartgesottene größtenteils frei, die meisten Villages hatten sich in den ruhigeren Bereichen oder näher an Duschen und Toiletten platziert.
Und doch kam, was kommen musste: Bereits an Tag 0 (also dem Aufbautag) wurden wir ermahnt, die Musik leiser zu machen. Musik, die im Übrigen bereits nach 50 Metern kaum noch zu hören war, denn wir hatten dieses Jahr sowieso nur eine kleinere Anlage und leistungsschwächere Lautsprecher dabei, die entgegen üblicher Praxis auch mitten im Zelt aufgebaut waren und nicht direkt nach außen dröhnen konnten. Dass in den generellen Regeln des Camps ab 23 Uhr Zimmerlautstärke angesagt war und das für alle gelte - geschenkt. Diese Regel kann man durchaus kritisieren und hinterfragen, aber sie galt erst einmal für alle. Dass aber darüber hinaus auch tagsüber schon gegängelt wird, obwohl man sich sogar noch direkt im Zelt unterhalten konnte, ohne taub zu werden… well, ich habe keine Ahnung, was das soll. Mal davon ab, dass nebenan, nur einen Sprung über einen Kanal entfernt, die großen Bühnen und andere Party-Villages deutlich mehr Schalldruck zu uns rüberschickten - teils bis in die Nacht hinein. Bei uns standen jedoch regelmäßig größere Menschengruppen und zeigten sich sehr enttäuscht darüber, dass wir dieses Jahr nur Flüsterdisco machen.
Für mich irgendwie ein witziges Highlight, das den Grad der Resilienz der Veranstaltung deutlich machte, war ein mehrstündiger Stromausfall der ganzen Region nördlich von Amsterdam, der durch eine defekte Hochspannungsleitung verursacht wurde. Nach anfänglichen Witzeleien (“Wir waren’s nicht, ehrlich! Ach, der rote Knopf hier? Keine Ahnung wo der herkommt…”) wurde schnell klar, dass mit einem derartigen Ausfall offenbar bei der Planung niemand gerechnet hatte. Weder die Wasserversorgung (Wasserdruck kommt auf dem flachen Land nicht alleine zustande), noch die Stromversorgung der zentralen Einheiten mittels Notstromgeneratoren funktionierten richtig, sodass bis zur Wiederherstellung des Landstroms nur einige relevante Locations wieder mit Strom und nur eine der Toilettenstationen mit Wasser versorgt wurde. Der Food Court war genauso stromlos wie die meisten Villages und ich war froh, dass wir unseren eigenen kleinen Generator dabei hatten, um wenigstens die Kühglschränke weiter zu versorgen. Für den Rest des Tages wurden (trotzdem später der Strom wieder zur Verfügung stand) auch alle Talks und Workshops abgesagt, was wirklich schade war und aus meiner Sicht vollkommen unnötig. Aber ich hoffe, auch aus dieser Situation konnten Lehren für die nächsten Camps gezogen werden.
Generelles Fazit
Doch ich möchte gerne eines festhalten: Auch wenn einige Orga-Einheiten des diesjährigen Camps aus meiner Sicht mal mehr und mal weniger versagt haben (und ich nebenbei gesagt weit davon entfernt bin, hier bösen Willen zu unterstellen), war es ein geiles Camp. Es waren tolle Leute da, neue Freundschaften wurden geknüpft, das Wetter war unglaublich gut (wenn auch für meinen Geschmack zu warm) und abseits der Musikthematik durften wir geraffeln was das Zeug hält. Das Essen im Food Court… naja, reden wir nicht drüber und die Bar hatte schon nach wenigen Stunden keine großen Gläser mehr, dafür waren die Preise relativ moderat und die Schlangen erfreulich kurz, wenn man nicht zu Stoßzeiten Hunger oder Durst hatte. Ob die Badge jemals mehr als ein lustig aussehender Wandschmuck werden wird weiß ich nicht, aber das wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Ich komme jedenfalls gutgelaunt aus meinem Urlaub zurück und freue mich direkt schon mal auf die Hacks on the Beach (HotB25) in Flensburg, die direkt im September stattfinden wird.