Deadlines

An dieser Stelle möchte ich Dir etwas von meiner persönlichen Sicht auf Deadlines erzählen. Vermutlich werden mir einige Leser*innen widersprechen, das ist okay. In meiner Welt haben die folgenden Gedanken ihre Berechtigung.

Von toten Linien und weichen Zielen

Deadlines, wer kennt sie nicht? Die rote Linie, der Kringel im Kalender, das näher rückende Datum im Planner, der mit den Hufen scharrende Kunde… manche Abgabezeitpunkte scheinen so unverrückbar wie der Mt. Everest, mindestens. Doch muss das immer so sein, sind Deadlines immer sinnvoll?

Es gibt Menschen, die sehr gut mit Deadlines arbeiten können. Für sie sind sie der Zeitpunkt, an dem alle Unterlagen zusammengetragen, alle Berichte geschrieben und alle Arbeiten abgeschlossen sein müssen, was es ermöglicht, die Zeitplanung entsprechend bis dahin sinnvoll vorzunehmen.
Für Menschen wie mich sind sie jedoch unsichtbar, bis sie als Erinnerung “in einem Tag fällig” auf dem Bildschirm erscheinen. Und sie arten damit regelmäßig in Stress aus. Time blindness in Reinkultur, die man zwar mit technischen Mitteln wie regelmäßigen Erinnerungen und Tasklisten mit festen Zeitpunkten teilweise bekämpfen kann, doch das kostet wiederum Zeit und Energie.

Es stellt sich die Frage, ob Deadlines überhaupt immer das sinnvollste Mittel sind. Wo braucht man eine Deadline, wo tut es möglicherweise auch ein weiter gefasster Datumsbereich?

Deadlines markieren einen festen Punkt auf einem Zeitstrahl, an dem eine Aufgabe abgeschlossen sein muss. Doch wie fest ist dieser Punkt eigentlich? Warum wird dieser Punkt festgesetzt, was ist der Zweck dahinter? Ist das Setzen eines Datums der Selbstzweck schlechthin oder hängt wirklich etwas daran, genau diesen Zeitpunkt einzuhalten? Bei jeder Deadline, die ich definieren muss, stelle ich mir zu allererst die Frage, warum ich überhaupt eine harte Deadline brauche. Erstaunlich häufig komme ich zu dem Schluss, dass sie nicht notwendig ist und wesentlich weicher formuliert werden kann.

Ich habe in der Vergangenheit mit diversen “agilen” Projektsteuerungsmethoden arbeiten müssen und habe eine instinktive Abneigung gegen SCRUM-Meetings, Sprints und all das Geraffel entwickelt, das damit zusammenhängt. Doch ein paar der Methoden habe ich dennoch als sinnvoll empfunden und bin froh, dass sie inzwischen auch in meinen Arbeitsalltag integriert wurden. Der Gedanke, Projekte dynamisch zu steuern, ist dann doch gar nicht so abwegig, wie es die bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Abläufe aus der Vergangenheit vermuten ließen.

Denn wozu brauche ich eine feste Deadline auf zum Beispiel den 13.06.2025, wenn danach exakt nichts direkt danach mit den Ergebnissen passiert? Solange nicht direkt nach dem Fertigstellungstermin mit den aus dem Projekt herauskommenden Daten weitergearbeitet werden muss, also ein fester Starttermin für Folge- oder Fortsetzungsprojekte ansteht, besteht oft kein wirklicher Grund für einen festen Termin.

Als sinnvoller stellen sich oft “softe” Ziele heraus: Man schätzt ab, wie viel Zeit und Arbeit vermutlich in eine Aufgabe fließt und setzt sich ein entsprechendes Zeitfenster, zu dem die Aufgabe erledigt werden kann. Am besten legt man noch ein wenig Zeit drauf, um unvorhergesehene Problematiken lösen zu können. Dann steht als Zielzeitraum vielleicht “Ende Quartal 2 2025” im Plan. Und der ist genauso soft wie er als Zeitpunkt ist: Wenn in dieser Zeit das Projekt nicht abgeschlossen ist, wird evaluiert, wie viel Zeit noch benötigt wird und das Ziel entsprechend angepasst. Das passiert allerdings nicht erst kurz bevor das Projektende erreicht ist, sondern in regelmäßigen Abspracheterminen mit den Projektverantwortlichen und -mitarbeitern. Das mag an Sprintplanung erinnern, ist jedoch deutlich entspannter und weniger dogmatisch. Wenn bei länger laufenden Projekten alle 1-2 Wochen über den Projektstatus gesprochen wird, lässt sich gut abschätzen, ob es zu Verzögerungen kommt und wo nachgesteuert werden sollte, ohne dass tägliche Meetings viel Zeit fressen und für erheblichen Mehraufwand sorgen.

Ganz klar ist: Deadlines haben ihre Berechtigung. Spätestens wenn Liefertermine berücksichtigt werden müssen, wenn abhängige Arbeiten einen festen Starttermin haben oder anderweitig eine Abgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt zwingend notwendig ist (zum Beispiel auch, wenn einem Kunden ein Abschlussbericht zum Zeitpunkt x zugesagt wurde), kommt man um Deadlines kaum herum. Für viele andere Zwecke, wo einfach nur der Wunsch nach einem festen Zeitpunkt die Deadline steuert, würde ich davon absehen, sie einzusetzen.