Über mich
Fakten, Fakten, Fakten
Möglicherweise der uninteressanteste Teil der Webseite…
Ernsthaft. Die meisten Besucher dieser Seite werden mich bereits kennen oder wegen einer der Themen unter Hobbys
, Berufliches
oder ADHS
hierher gefunden haben. Wer wissen will, wo ich wohne oder wie ich erreichbar bin, wird mit dem Impressum
glücklicher werden als mit der Lektüre dieses Bereiches. Und falls jemand nach Hinweisen für die Grundlage meiner Passwörter sucht, wird er hier ebenfalls nicht fündig werden - der Zufallsgenerator ist mein bester Freund. ;)
Von daher: Beschwere Dich nicht, wenn es wirklich langweilig ist. Los geht’s.
Oder: Skip
40 Jahre wall of text a.k.a. Sprechdurchfall
länglich
Ich wurde Anfang der 80er im schönen Hamburg geboren und wuchs im nördlichen Niedersachsen in einem kleinen Dorf auf. Meine Kindheit habe ich zur Hälfte im Wald und in der Natur verbracht, habe den Familienhund geärgert, in Ginstersträuchern erfolglos nach Ginsterkatzen gesucht, Höhlen gegraben, Baumhäuser geplant (zum Bau kam es leider nie) und meinen zwei kleineren Schwestern das Leben schwer gemacht. Ich hatte nur wenige Freunde, habe anderen lieber beim Spielen zugeschaut als selber mitzuspielen und habe die Nachbarin und den Postboten am Gartentor festgequatscht, bis diese irgendwann reißaus nahmen. Heute weiß ich, dass ich damals viele ADHS-typische Verhaltensweisen an den Tag gelegt habe, für meine Umwelt war ich halt einfach seltsam und irgendwie arrangierten sich alle damit.
Als Kind liebte ich Bücher, und so kam ich schon recht früh dazu, bei den Besuchen der Großeltern die Karl May-Sammlung durchzuackern. Später wurden mir einige der Perry Rhodan-Silberbände meines Onkels vermacht, die meine sowieso schon durch die regelmäßig auf der Flimmerkiste konsumierten Star Trek-Folgen (ja, TOS) getriggerte Liebe zur Science Fiction festigten.
Mit acht Jahren war dann das viele an der Luft spielen schlagartig vorbei. Mein Vater schenkte mir meinen ersten Computer, einen C64 mit Datasette. Ab da war es um mich geschehen. Ich hatte schon in den Jahren davor gerne mit dem Kosmos Elektronik-Experimentierkasten herumgespielt und auch das eine oder andere giftgrüne Wählscheibentelefon sowie diverse Batterieradios waren sehr zum Leidwesen meiner Eltern meinem Basteltrieb zum Opfer gefallen, aber der C64 war eine andere Liga. Nachdem alle Spiele (mein erstes: Zauberschloss!) durchgespielt waren, reizte mich vor allem das dicke Handbuch, das mir die ersten Schritte in BASIC und ein wenig Maschinensprache vermittelte. So kam ich als Knirps auch zu meinen ersten Englisch-Kenntnissen (in der Schule hatten wir das zu dieser Zeit noch nicht), quasi learning by doing. Mit Spielen wie Zauberschloss, Pacman und Digger lernte ich zudem alle Arten von Labyrinthen schätzen und habe nicht wenige Bücher mit Millimeterpapier genutzt, um mir eigene Labyrinthe, Fallen und Dungeons auszudenken. Das sollte mich Jahre später wieder einholen.
An meinen sozialen Schwierigkeiten änderte das alles natürlich nichts. Jedenfalls nichts im positiven Sinne. Nach über einem Jahrzehnt in meinem Heimatdorf zogen meine Eltern mit uns Kindern um, in meiner Jugend müssen es bestimmt drei oder vier Umzüge gewesen sein. Die damit verknüpften Schulwechsel machten es mir schwer, Anschluss zu finden und zu halten, ich rutschte meist sehr schnell in die Außenseiter-Ecke. Auf der Realschule und dem Gymnasium war ich schließlich ein (un)beliebtes Mobbingopfer, jedoch fand ich dort unter den wenigen Außenseitern Freunde. Freunde mit ähnlichen Interessen. Computer! Musik! Und ehe ich mich versah, kam ein weiteres Hobby dazu: Wir gründeten eine Rollenspielrunde zu viert. Ich weiß nicht, wie viele Wochenenden wir uns in Aventurien um die Ohren geschlagen haben, aber diese Leidenschaft bin ich seither nicht mehr losgeworden.
Die Zeit verging, das Internet kam. Nachdem ich während eines Praktikums und der folgenden Mini-Anstellung für die Einrichtung von Schulungs-Computern quasi freien Internetzugriff hatte, zog das erste ISDN-Modem auch bei uns zu Hause ein. Und was gab es nicht alles zu lernen: Wie E-Mail funktioniert, was eine Webseite ist und wie man sich mit HTML selber eine baut. Und da waren natürlich die Chaträume der großen Anbieter wie ChatCity, in denen ich fortan meine Abende und Nächte verbrachte. Nachdem meine Freundschaften aus der Schule aus verschiedenen Gründen wegbrachen, fand ich hier eine ganze Community von Außenseitern, Spinnern, Träumern… kurz: Leute wie mich. Über diverse Chat-Rollenspiele und andere Kanäle lernte ich mit etwa 16 Jahren dann auch neue musikalische Bereiche kennen: Gothic und Metal, denen ich bis heute sehr verbunden bin. Hier entstanden auch viele Freundschaften, ich fühlte mich das erste mal irgendwo zugehörig. Mit meinen IT-Kenntnissen zog ich erste Online-Community-Projekte hoch, auch das zog sich ab hier wie ein roter Faden durch mein Leben.
Mit Anfang 20 war ich schulisch gesehen am Ende. Ich hatte mehrfach das Klassenziel nicht erreicht, und als ich schwer erkrankte und mehrere Monate dem Unterricht nicht beiwohnen konnte, stellte mich die Schulleitung vor die Wahl: Entweder ich schaffe die (damals 11.) Klasse, oder ich verlasse die Schule. Da für mich klar war, dass ich das Klassenziel erneut nicht erreichen kann, war die Entscheidung relativ schnell getroffen. Ich verließ die Schule und bewarb mich bei verschiedenen Firmen um eine Ausbildungsstelle als Fachinformatiker. Leider waren nirgendwo noch Plätze frei und so nahm ich die einzige positive Rückmeldung an, man habe einen Platz für eine Ausbildung als Bürokauffrau frei. Ja, richtig, schon damals bestand man auf dem generischen Femininum. Mir sollte es recht sein, also sagte ich zu. Und nach zwei Monaten in einer reinen Mädchen-Klasse mit (aus meiner Sicht) unterfordernden Inhalten brach ich die Ausbildung wieder ab. Glücklicherweise suchte die Ausbildungsfirma zu dieser Zeit händeringend einen Administrator und so kam ich zu meinem ersten “richtigen” Job mit einem für meine damaligen Verhältnisse stattlichen Gehalt.
Den Rest meiner beruflichen Laufbahn erspare ich Dir an dieser Stelle, den kannst Du bei den einschlägigen Karriereseiten nachlesen.
Nachdem ich meine Heimat verlassen hatte, landete ich nach Zwischenstopps in Essen und Bochum schließlich in Bremen, wo ich dann mit Ende 20 noch einmal den Versuch wagte, eine Ausbildung zu beginnen. Und so wurde ich zum Fachinformatiker für Systemintegration. Nebenbei zog ich Bremens größte Online-Gothic-Community, das Schwarze Bremen, mit meiner damaligen Freundin hoch, die gute acht Jahre lang eine Institution für das Schwarzvolk in und um Bremen war. Kurz nachdem diese Community eingestampft wurde (die meisten Nutzer wanderten sowieso inzwischen zu Facebook ab), zog ich ebenfalls weiter, diesmal nach Berlin. In Berlin versuchte ich mich als Softwaretester im eID-Umfeld und später als Firewallprogrammierer im Rahmen von Gematik- und Smart Meter-Umfeld, war aber nicht so richtig glücklich mit meiner Arbeit. Und so suchte ich einige Jahre später einen neuen Job und landete bei meinem aktuellen Arbeitgeber, wo ich die Tücken und Freuden der harten IT-Security kennenlernte. Ich wechselte vom Penetrationstester zum Forensiker und schließlich zum Incident Response-Experten. Kurz nach dem Umzug nach Berlin wurde zudem die Band Stimmgewalt gegründet, die ich einige Jahre lang als Sänger auf den Bühnen begleiten durfte.
Neben anderen privaten Gründen hatte ich Bremen verlassen, weil ich mich komplett ausgebrannt fühlte. Für meine Ärzte war die Sache klar: Burnout. Es gab einige Versuche, das Ganze zu lindern, aber für mich war am Ende nur noch die Flucht nach vorne eine Option. Jahre später wurde in Berlin eine Depression diagnostiziert, deren Behandlung sich jedoch als schwierig erwies. Ich vertrug keins der verschriebenen Medikamente, darüber hinaus entfalteten sie auch keine der gewünschten Wirkungen. Ich nahm es hin, die Depression hatte laut den Experten wohl bereits mit dem vermeintlichen Burnout etliche Jahre zuvor begonnen. Über vier Jahre hinweg war ich mehr oder weniger arbeitsunfähig, wurde von meinem Arbeitgeber aber sehr gut unterstützt und aufgefangen. Durch Freunde, Familie und Arbeitskollegen wurde ich schließlich auf die Symptome von ADHS aufmerksam gemacht und besuchte schließlich Ende 2023 einen Facharzt, der sich auf ADHS bei Erwachsenen spezialisiert hat. Und plötzlich steht eine ganz andere Diagnose im Raum, die entgegen der Depression sehr gut medikamentös behandelt werden kann. Was soll ich sagen: Es hilft.
Mag ich
Genug Geschichtsunterricht, hier ein paar Dinge, die ich mag bzw. für die ich brenne:
- Musik / Konzerte / Festivals
- Rollenspiele (Pen&Paper, Live & PC)
- Programmieren
- Naturwissenschaften
- Speziell: Astrophysik
- Elektronik (Arduino- und Raspberry Pi-Projekte)
- Schlechte Filme (SchleFaZ lässt grüßen)
- Dokumentationen
- Das Meer (Nord- und Ostsee)
- Laser- und CNC-Fräsen
- Linux
- IT-Sicherheit
- Familie und Freunde
- Sushi
- Tee
- Dunkle Farben, Schwarz
- Kaltes Wetter, Sturm, Gewitter
- IT-Security, Hacking, Hackercamps, Security-Congresse
- Worldbuilding
- Spiele (hauptsächlich am PC)
- KI-generierte Kunst
- Science Fiction
- Bücher
- Natur
- Radfahren
- Private Notfallvorsorge
- Tiere (vor allem Hunde, Katzen, Schildkröten)
- Positiven Umgang mit Menschen
- Mate
- Norddeutsche Küche
- Menschen wertschätzen
- Gelassenheit, peace of mind
- assume goodwill
- Sterillium
- FFP-Masken
- Sprachen: Russisch, Isländisch, Dänisch, Norwegisch, Englisch
- Airsoft, Paintball
- Neurodiversität
Mag ich nicht
- Hitze
- Impfgegner, Klimawandel-Leugner, Maskengegner
- Reichsbürger, Schwurbler, Antrophosophen, Homöopathen
- AfD, “Querdenker”, Nazis, Rechtsradikale
- Extremisten
- Lügen
- Berufspolitiker
- Anderen eine Meinung/Weltanschauung aufzwingen
- ICH-Denken
- Ellenbogenkultur
- Unzuverlässigkeit
- Hinter dem Rücken reden, verleumden
- Probleme nicht direkt ansprechen, sondern “nach oben eskalieren”
- Hass, Missgunst
- Stress
- Krankheit
- Selbstzweifel, Unsicherheit
- Dinge, die sich nicht reparieren lassen
- Kapern
- Glücksspiele
- Kriegstreiber
- Klimawandel
- Miethaie
- “told you so”-Situationen
- Handeln entgegen besseren Wissens
- Helligkeit
- Apple, Microsoft
- Die französische Sprache
- Stagnation
- Ignoranz
- (anlasslose) Überwachung
- Unerwünschte Werbung, Recruiter
Soziale Medien & Kontakt
Wo man mich findet:
Mastodon
preferred
Man findet mich als @ph0lk3r@geraffel.social im Fediverse via Mastodon.
Diaspora
Man findet mich als @kainsrache@despora.de im Fediverse via Diaspora.
Pixelfed
Man findet mich als @ph0lk3r@pixelfed.de im Fediverse via Pixelfed.
PeerTube
Man findet mich als @ph0lk3r@kraut.zone im Fediverse via PeerTube.
LinkedIn
Man findet mich als Folker Schmidt auf LinkedIn.
Xing
Man findet mich als Folker Schmidt auf Xing.
Facebook
Nein.
Nein.
Blue Sky
Nein.
Sonstige
Siehe Impressum
Unterabschnitte von Berufliches
Schwerpunkte
Meine beruflichen Schwerpunkte drehen sich derzeit um IT-Sicherheit auf allen Ebenen. Aber auch die Schwerpunkte vergangener Zeiten möchte ich hier der Vollständigkeit halber festhalten.
Incident Response
Seit einigen Jahren arbeite ich hauptsächlich innerhalb des IR-Teams der HiSolutions. Erste Einsätze bei gehackten Unternehmens-Infrastrukturen absolvierte ich zwar schon, bevor die entsprechende Abteilung überhaupt als solche existierte, doch nur sporadisch und neben meiner eigentlichen Tätigkeit. Im Gegensatz dazu vergeht heute keine Woche ohne Einschläge, bei denen die Kollegen teils quer durch die Republik fahren, um das Schlimmste zu verhindern. Und auch wenn ich vorübergehend in den operativen IT-Betrieb gewechselt bin, um mit meinen Kollegen eine leistungsfähige und sichere Infrastruktur aufzubauen, brennt mein Herz nach wie vor für den Thrill vor Ort, wenn die IT sprichwörtlich brennt und die Nerven beim Kunden blank liegen.
Blank liegende Nerven sind hier ein gutes Stichwort. Incident Response ist zur Hälfte Management und zur Hälfte Seelsorge. Während man mit einer Hirnhälfte versucht, den Schaden zu erfassen, geeignete Gegenmaßnahmen einleiten zu lassen, schon einmal die verfügbaren Dienstleister durchgeht, benötigte Ansprechpartner und gesetzliche Vorgaben vor dem inneren Auge vorbeiziehen lässt und generell eine Schadensaufnahme vorbereitet, arbeitet die andere Hirnhälfte mit Hochdruck daran, die Kontaktpersonen beim Kunden zu beruhigen und sie auf ein managebares Stresslevel herunter zu bekommen. Und da fragt sich mancher, wieso wir meistens im Team anrücken…
Forensik
Forensik ist neben der Incident Response meine zweite große Leidenschaft. Das kleinteilige Suchen nach Hinweisen, das Nachverfolgen von Datenspuren und die teilweise überraschenden Ergebnisse faszinieren mich. Es gibt wenige Arbeiten, auf die ich mich den ganzen Tag konzentrieren kann, ohne davon erschöpft zu sein. Das digitale Wimmelbild, das sich bei einer forensischen Untersuchung offenbart, stellt hier eine große Ausnahme dar.
Ob es die Analyse während eines IR-Vorfalls ist, eine vermutete Straftat eines Mitarbeiters oder einfach nur ein verdächtiges Verhalten eines Gerätes - keine Untersuchung ist wie die andere und der Lernprozess hört nie auf.
Pentesting
Als Penetrationstester bin ich bei der HiSolutions 2016 eingestiegen. Ich war mehr oder weniger Quereinsteiger, hatte in diesem Bereich nur privat ein wenig Erfahrung gesammelt und so erwartete mich eine steile Lernkurve. Die ersten Pentests gemeinsam mit Kollegen fühlten sich noch seltsam an, griff man doch quasi mit Erlaubnis des Kunden seine Systeme an. Doch der Spieltrieb und die fachliche Herausforderung siegten und ich durfte so einige spannende Unternehmen von einer Seite kennenlernen, die anderen wohl immer verborgen bleiben wird.
Netzwerk-Administration
Ich bin ausgebildeter Netzwerk-Administrator, damals mit Schwerpunkt auf Cisco-Infrastruktur, doch mit den Jahren habe ich mit vielen anderen Herstellern gearbeitet. Und auch wenn ich heute beruflich nicht mehr oft direkt an Switchen und Firewalls konfiguriere, hilft mir dieses Wissen bei den meisten EInsätzen sehr. Einen Netzplan ad hoc lesen und verstehen sowie Firewallregeln auf ihre Wirksamkeit beurteilen zu können ist ein großer Vorteil. Gerade, wenn es heiß her geht und die Köpfe derer, die die entsprechende Infrastruktur betreuen, gerade jenseits von gut und böse sind.
BCM
Im Rahmen der Incident Response durfte ich auch diverse Male in den Bereich BCM (Business Continuity Management) hereinschnuppern, mit den Kunden entsprechende Pläne erarbeiten und bisher getroffene Maßnahmen auf Wirksamkeit und Angemessenheit beurteilen.
Ich bilde mir nicht ein, ein Experte auf diesem Gebiet zu sein, aber das Grundwissen, das ich in den letzten Jahren erlangt habe, leistet mir und meinen Kunden wertvolle Dienste.
Programmierung
Eher ein Steckenpferd als Schwerpunkt ist die Programmierung. Administrator wollte ich damals nicht sein, ich wollte Anwendungsentwickler werden! Das mangelnde Angebot an Ausbildungsstellen hat mich trotzdem in die Systembetreuung getrieben, doch programmieren tue ich immer noch gerne.
Heutzutage nutze ich diese Leidenschaft hauptsächlich, um die Firmen-Infrastruktur mit umfangreichen Scripten zu automatisieren und den Mitarbeitern Hilfestellungen an die Hand zu geben, die Abläufe vereinheitlichen und die Fehleranfälligkeit senken. Derzeitiges tool of the trade: bash!
Stationen
Über die Jahre haben sich eine Handvoll Arbeitgeber angesammelt, bei denen ich interessante und lehrreiche Jahre verlebt habe. Ich bin allen dankbar für die Erfahrungen, die ich dort machen durfte, auch wenn es mich teilweise schon nach kurzer Zeit zu neuen Ufern trieb.
HiSolutions AG, Berlin
Seit 2016 habe ich von Pentests und Incident Response über BCM-Grundlagen und Infrastruktur-Entwicklung schon so einige Fachbereiche kennengelernt und habe jeweils das beste daraus für mich mitgenommen. Speziell die Notfall-Einsätze im IR-Bereich machen immer eine Menge Spaß und haben ein enormes Lernpotenziel - für meine Kunden wie auch für mich.
Die HiSolutions AG ist dabei nicht nur fachlich ganz vorne mit dabei. Auch auf menschlicher Ebene wird das WIR groß geschrieben. Ich habe hier viele tolle Kollegen kennengelert und echte Freunde gefunden, die auch außerhalb der Firmenwelt ein wichtiger Teil meines Lebens geworden sind.
Ich bin glücklich, ein Teil dieser Firma zu sein und meinen Teil zum Erfolg beitragen zu dürfen. Awesome!
awesome current employer hacker’s choice fair working conditions
OpenLimit SignCubes GmbH, Berlin
Meine erste Station nach dem Umzug nach Berlin. Ich bin in der Qualitätssicherung für ein Java-basiertes Projekt eingestiegen, doch alle Beteiligten (mich eingeschlossen) merkten mit der Zeit, dass ich dort eine Fehlbesetzung war. Bei der Implementierung von Firewalls für Smartmeter Gateways und Gematik-Konnektoren fühlte ich mich als alter Netzwerker dann deutlich wohler und verbrachte meine restliche Zeit mit dieser Tätigkeit.
abat AG, Bremen
Mit bald Ende 20 entschloss ich mich, doch einmal eine Ausbildung zu machen, um “etwas auf dem Papier” zu haben. Die abat AG bildete Fachinformatiker für Systemintegration aus und ich bekam den Zuschlag. Es folgten drei Ausbildungsjahre, die eher durch die spannenden Aufgaben im SAP-, Windows- und Netzwerkadministrationsumfeld hervorstachen als durch neu Gelerntes - ich hatte durch mein langjähriges privates Interesse für everything IT einen gewissen Vorsprung, der mir gewisse Freiheiten in Bezug auf Lerndisziplin erlaubte.
Nach der Ausbildung blieb ich noch drei Jahre in der IT-Abteilung und unterstützte neben dem Tagesgeschäft die nächste Generation von Administratoren bei ihrer Ausbildung. Letztlich zog es mich aber weg aus Bremen und ich landete unerwartet in Berlin. SAP habe ich übrigens nie wieder angefasst und habe nicht vor, das zu ändern…
Selbstständigkeit
Ich hätte es besser wissen sollen. Nach einem Jahr war mir restlos klar, dass ich nicht für die Selbstständigkeit, auch nicht im IT-Sektor, gemacht bin. Reden wir nicht mehr drüber.
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Medion AG / AMS GmbH
Ein dreijähriger Zwischenstopp in Essen bescherte mir meinen ersten Job in einer Hotline. Medion bzw. AMS, die die Medion-Hotline betrieben, suchte fähige Techniker und boy, war ich fähig! In meiner Zeit zwischen Headset und Testrechnern lernte ich vor allem, dem Kunden am Telefon nicht alles direkt zu glauben, was er erzählte, sondern zu erahnen, was er tatsächlich auf dem Bildschirm stehen haben könnte. Auch mein Umgang mit Menschen am anderen Ende der Leitung, egal wie sie ticken, wurde hier geschärft und ich bin am Ende um sehr viele wertvolle Erfahrungen reicher in meine Heimat zurückgezogen.
SLZ Quickborn gGmbH
Mein offizieller Berufseinstieg erfolgte als Administrator bei der SLZ, nachdem ich einige Monate in deren Räumlichkeiten Einsteiger- und Fortgeschrittenenkurse im Office- und Windows-Umfeld für Kinder, Erwachsene und Senioren gegeben hatte. Die Stelle wurde überraschend frei und ich hatte schneller einen Arbeitsvertrag in der Hand als ich den Mund wieder zuklappen konnte. Quasi irekt von der Schule in die Wirtschaft, das hätte ich mir nicht träumen lassen. Leider wurde die Firma nach wenigen Monaten abgewickelt, was mich schließlich aus der Heimat weg nach Essen führte.
Links
Viel habe ich in den Jahren nicht veröffentlicht, erst nach der heißen Phase der Corona-Pandemie habe ich mich wirklich getraut, auch öffentlich sichtbare Artikel außerhalb der internen Dokumentations-Blase meines Arbeitgebers zu schreiben. Die wenigen Artikel verlinke ich hier.
2024: Writeup zu SMTP Smuggling
Ein Vortrag auf dem letzten Chaos Communication Congress, der zum Jahreswechsel 2023/24 endlich wieder in Hamburg stattfinden durfte, sorgte für Zündstoff. Nicht nur, weil E-Mails offenbar durch böswillige Dritte nahezu beliebig gefälscht werden konnten, wobei einige bisher als brauchbar angenommene Sicherheitsmaßnahmen ausgehebelt werden konnten. Zudem gab es aufgrund der etwas komplexeren Thematik auch reichlich Verständnisprobleme. Ich habe versucht, die Thematik verstänblich aufzuarbeiten.
https://research.hisolutions.com/2024/01/smtp-smuggling-fallout-oder-wer-muss-jetzt-eigentlich-was-patchen/
2023: Artikel über unerwartet erwartbare XSS-Schwachstellen
Leider scheinen Sicherheitslücken wie XSS (Cross-Site-Scripting) auch im Jahre 2024 nicht totzukriegen zu sein. Es gibt immer noch Entwickler, die sich zu denken scheinen, dass Daten von fremden Systemen schon nicht gefährlich sein werden. Falsch gedacht, I present to you:
https://research.hisolutions.com/2023/04/xss-auf-abwegen/
2020: Security-Advisory zur Citrix-Schwachstelle CVE-2019-19781 (“Shitrix”)
2020 war auch für uns bei der HiSolutions ein ereignisreiches Jahr. Nicht zuletzt wegen einer in der Breite ausgenutzten Citrix-Schwachstelle, die viele Angreifer schneller ausnutzten, als die zuständigen Administratoren ihren Patchzyklus angepasst hatten. Die Folge: Glühende Hotlines, Notfallhilfe, Forensik satt. Über verschiedene Kanäle verbreiteten wir Informationen, wie die Schwachstelle beseitigt und die Systeme auf Kompromittierungen geprüft werden konnten.
https://www.hisolutions.com/detail/ransomware-angriffe-als-folge-von-shitrix
Coding
Unterabschnitte von Coding
Bash-Archivverwaltung
Eines schönen Tages beschloss meine Abteilung, Daten, die für längere Zeit sicher gelagert werden mussten, nicht mehr auf Festplatten im Safe abzulegen. Sicher, Festplatten sind verhältnismäßig günsig, recht schnell zu beschreiben und einfach zu handhaben, gerade wenn man forensische Kopien direkt als Image darauf ablegt. Doch alleine die Verwaltung wurde mit den Jahren immer komplexer, Löschfristen mussten beachtet werden und allgemein artete das Ganze mehr und mehr in überflüssige Rennerei aus. Die Lösung: Tape-Archivierung!
Nun mag sich manch einer denken: “Sichern auf Band? Das ist doch uralte, fast schon vergessene Technologie!”
Ich würde mal sagen: Falsch gedacht! Zwar mutet das Beschreiben von Bändern archaisch an, man denkt an riesige drehende Bandspulen in zimmergroßen Computern, die man vielleicht mal in alten Science Fiction-Filmen gesehen hat, oder sie - den entsprechenden Jahrgang vorausgesetzt - sogar noch selber erleben durfte. Moderne Bandlaufwerke haben damit jedoch nur noch wenig zu tun.
Moderne LTO-Laufwerke können (Stand Ende 2024) unkomprimiert mit dem Standard LTO9 bis zu 18TB auf ein handtellergroßes Tape schreiben. Mit Komprimierung schaffen sie laut Herstellerangaben sogar bis zu knapp über 40GB, doch das dürfte je nach Art der Quelldaten stark fluktuieren. 18TB pro Band, das ist doch schon mal ordentlich und entspricht etwa dem, was moderne Festplatten auch fassen. Und auch die Schreibgeschwindigkeit von bis zu 400MB/s liegt mitten in dem Spektrum, das handelsübliche Festplatten via SATA schaffen. Der Preisunterschied ist hingegen saftig: Während ein LTO9-Tape nur knapp 100€ kostet, schlagen Festplatten mit ähnlicher Speicherdichte mit dem zwei- bis vierfachen Preis zu Buche.
Gerade beim Preis muss man allerdings die Initialkosten bedenken, und die haben es in sich: Während SATA-Anschlüsse für Festplatten heutzutage nahezu überall verbaut sind, braucht es für die Verwendung von LTO-Tapes ein spezielles Laufwerk, das mit mehreren tausend Euro nicht gerade ein Schnäppchen ist. Geräte, die die Bänder selbstständig wechseln können, liegen preislich noch einmal eine Größenordnung darüber.
Datenarchivierung auf Tape, nur wie?
Für Datenarchivierung bieten sich dennoch am ehesten Tapes an. Sie sind für das sequenzielle Schreiben von großen Datenmengen entwickelt worden, also genau das, was bei einer Archivierung passiert. Also schafften wir uns nach reichlicher Recherche einen 24fach-Bandroboter an, um uns die ständige händische Archivierung zu erleichtern.
Nun verhält sich so ein Tape etwas anders als eine Festplatte. Zuallererst: Es gibt kein Dateisystem. Okay, das ist gelogen, man kann auch auf dem Tape ein Dateisystem nutzen, über das man fast ganz normal hantieren kann. Für unseren Zweck war das allerdings absolut nicht sinnvoll, denn wir wollten ja einfach nur Daten archivieren - ein nachträgliches Ändern war nicht vorgesehen.
Geschrieben wird so ein Band entweder mit einer kommerziellen Software, die das Laufwerk direkt ansteuert, eine eigene Bandverwaltung mitbringt und meist über eine graphische Oberfläche verhältnismäßg komfortabel zu bedienen ist. Kontrapunkt: Sie ist recht starr in ihren Möglichkeiten und lässt sich nur schwer oder gar nicht an unsere Anforderungen und Datenstrukturen anpassen. Außerdem benötigt sie häufig ein bestimmtes Betriebssystem, Updates müssen regelmäßig eingespielt werden, und wenn etwas nicht funktioniert, ist es unklar, ob der Hersteller schnell eine Anpassung im Code vornehmen kann oder will. Zudem sind die Lizenzen oft mit hohen laufenden Kosten verbunden.
Option zwei war für uns: Wir versuchen es mit Linux-Bordmitteln und ein wenig Scripting. Kann ja so schwer nicht sein, mittels mt
und mtx
lassen sich Tapelaufwerk und Wechselautomatik ansteuern, mit tar
Daten schreiben und das Bisschen Logik drum herum kann ja so schlimm nicht sein… Und so begann meine mehrmonatige Odyssee in die Tiefen der Tape-Archivierung.
Mein Plan war, die verwendeten Tools auf ein absolutes Minimum zu beschränken. Ich wollte keine großen Abhängigkeitsbäume, das System sollte möglichst schlank bleiben und somit leicht zu warten sein. Das Aufsetzen des verwendeten Servers sollte innerhalb weniger Minuten machbar sein und die Verwendung verschiedener Linux-Distributionen als Basissystem kein Hindernis darstellen. Auch wollte ich verhindern, dass Updates in der Umgebung das Verhalten der verwendeten Tools verändern. Die erste Idee, das Ganze in Python, Go, Rust oder anderen Sprachen zu entwickeln, war damit schnell vom Tisch.
Und eigentlich sollte das Ganze ja auch relativ straight forward sein, oder? Daten auswählen (manuell oder automatisch), Metadaten auslesen oder generieren, Datensatz wegschreiben und zur Liste der geschriebenen Datensätze hinzufügen, um sie später wiederzufinden. Alles ganz easy, das schafft man mit Bash doch spielend.
Hör auf, die Bash zu bashen!
Wer jetzt beginnt, hysterisch zu kichern: Zu recht!
Die ersten Versuche sahen zwar recht vielversprechend aus, jedoch stellte sich schnell heraus, dass simple lineare Datenstrukturen wie Logdateien nur bedingt geeignet waren, die volle Komplexität abzubilden, die wir benötigten. Datensätze, die auf mehreren Tapes übergreifend lagen, konnten damit nicht sauber abgebildet werden, ohne ein ganzes Auswertungs-Framework schreiben zu müssen, das zudem fehleranfällig sein würde. Wie konnte ich gleiczeitig die Tape-Identifizierungsmerkmale und die geschriebenen Datensätze erfassen? Und überhaupt, das Ganze sollte im Zweifel auch noch händisch auslesbar und verwertbar sein.
Als Datenstruktur musste schließlich JSON herhalten, das sich relativ komfortabel mit jq
lesen und schreiben lässt. Allerdings bedeutete die Umstellung zum einen eine steile Lernkurve für mich (ich hatte vorher nur nach Anleitung mit jq
in bekannten Datenstrukturen hantiert), zum anderen musste das bisherige Script so umfassend angepasst werden, dass ich es kurzerhand neu schrieb.
Nach einigen Wochen hatte ich alle Strukturen, Funktionen und Abläufe so sauber definiert, dass das erste Tape aus dem Tray in den Leser geladen werden konnte und einige Testdaten auch darauf landeten. Yay! Doch dann: Verflixt, wie schreibt man nun Daten auf mehrere Tapes und trackt das sauber im Hauptscript? Den Tapewechsel kann man mit einigen Hilfsfunktionen durchaus automatisieren, doch beim Tapewechsel will man ja nicht permanent daneben stehen müssen (18TB zu schreiben dauert gut einen halben Tag) und dann per Hand den erfolgten Wechsel bestätigen. tar
kann für diesen Zweck zwar ein Helper-Script aufrufen, das den Wechsel übernimmt, doch die Kommunikation zwischen den beiden Scripten ist eher einseitig. Es gab also zwei Möglichkeiten: Das Hauptscript übergab eine Liste der vorhandenen Bänder an das Hilfsscript und dieses iterierte sich durch, oder das Hilfsscript schrieb sein aktuelles Tape in eine temporäre Datei, die nach dem Schreiben des Datensatzes vom Hauptscript wieder eingelesen wurde. Ich entschied mich für die erste Variante, die nach langem Hin und Her auch funktionierte.
Zeitgleich musste natürlich auch ein Restore-Script her, das die Datensätze, die das Archivscript generierte, wieder einlesen und daraus die für spezifische Fälle benötigten Tapes herausfischte. Da jeder Datensatz zweimal geschrieben wird, um auch bei den Archiven Redundanz zu schaffen, war es notwendig, auch gemischte Tapes als Input zu akzeptieren. Also wurden die Datenstrukturen wieder angepasst und das Restore-Script so ausgestattet, dass es jeweils Tapes vom primären und vom sekundären Archivlauf untereinander austauschbar akzeptierte. Sollte eins der Bänder beschädigt sein, legte man einfach das Band der anderen Sicherung mit demselben Index ein. Problem gelöst.
Der Weg zum Release
Inzwischen ist der Quellcode der drei Scripte zusammen auf über 1300 Zeilen angewachsen. Außerdem existieren noch einige Helfer-Scripte, die beispielsweise neue Bänder laden, frische Bänder initialisieren, bestehende Bänder löschen, und so weiter. Derzeit müssen die Quelldaten noch verschlüsselt vorliegen und auf Band geschrieben werden, für die fertige Version 1.0 der Scripte fehlt also noch eine Inline-Verschlüsselung des Datenstroms beim Schreiben. Vermutlich kann man das komfortabel mit PGP/GPG lösen, das steht noch als letzter Punkt vor dem Release auf dem Plan.
Ich habe ein Monster geschaffen, und es lebt. Eine handgeschmiedete und zu 100% an unsere Anforderungen angepasste Archivlösung, die mit einem Dutzend Standard-Tools auskommt, sehr geringe Anforderungen an Hardware, das verwendete Betriebssystem und kaum Abhängigkeiten hat, zudem wartbar und bis auf die Entwicklungszeit kostenlos nutzbar ist. Zukunftssicher sollte sie auch sein, der Wechsel auf ein möglicherweise kommendes LTO10 oder anderweitige Tape-Technologien erfordert höchstens die Änderung weniger Zeilen - wenn überhaupt.
Würde ich so eine Software noch einmal selber schreiben, anstatt sie zu kaufen? Kommt drauf an, wenn Standardsoftware die wichtigsten Anforderungen erfüllen kann vermutlich nicht. Doch wenn es keine brauchbare Software am Markt gibt, die unseren speziellen Bedürfnissen gerecht wird: Auf jeden Fall!
Würde ich noch einmal Bash verwenden? Möglicherweise. Ich habe während der Entwicklung unglaublich viel über Bash gelernt. Sicher, moderne Scriptsprachen bieten viele Erleichterungen für Entwickler, erhöhen aber gleichzeitig auch den Abhängigkeitsbaum der Software. Und es braucht nur eine einzige Funktion, die irgendwann während eines neuen Releases verändert wird, und das Script läuft nicht mehr. Auf einem derart wichtigen Kernsystem wie dem Archivserver möchte ich solche Risiken nicht eingehen.
Deadlines
An dieser Stelle möchte ich Dir etwas von meiner persönlichen Sicht auf Deadlines erzählen. Vermutlich werden mir einige Leser*innen widersprechen, das ist okay. In meiner Welt haben die folgenden Gedanken ihre Berechtigung.
Von toten Linien und weichen Zielen
Deadlines, wer kennt sie nicht? Die rote Linie, der Kringel im Kalender, das näher rückende Datum im Planner, der mit den Hufen scharrende Kunde… manche Abgabezeitpunkte scheinen so unverrückbar wie der Mt. Everest, mindestens. Doch muss das immer so sein, sind Deadlines immer sinnvoll?
Es gibt Menschen, die sehr gut mit Deadlines arbeiten können. Für sie sind sie der Zeitpunkt, an dem alle Unterlagen zusammengetragen, alle Berichte geschrieben und alle Arbeiten abgeschlossen sein müssen, was es ermöglicht, die Zeitplanung entsprechend bis dahin sinnvoll vorzunehmen.
Für Menschen wie mich sind sie jedoch unsichtbar, bis sie als Erinnerung “in einem Tag fällig” auf dem Bildschirm erscheinen. Und sie arten damit regelmäßig in Stress aus. Time blindness in Reinkultur, die man zwar mit technischen Mitteln wie regelmäßigen Erinnerungen und Tasklisten mit festen Zeitpunkten teilweise bekämpfen kann, doch das kostet wiederum Zeit und Energie.
Es stellt sich die Frage, ob Deadlines überhaupt immer das sinnvollste Mittel sind. Wo braucht man eine Deadline, wo tut es möglicherweise auch ein weiter gefasster Datumsbereich?
Deadlines markieren einen festen Punkt auf einem Zeitstrahl, an dem eine Aufgabe abgeschlossen sein muss. Doch wie fest ist dieser Punkt eigentlich? Warum wird dieser Punkt festgesetzt, was ist der Zweck dahinter? Ist das Setzen eines Datums der Selbstzweck schlechthin oder hängt wirklich etwas daran, genau diesen Zeitpunkt einzuhalten? Bei jeder Deadline, die ich definieren muss, stelle ich mir zu allererst die Frage, warum ich überhaupt eine harte Deadline brauche. Erstaunlich häufig komme ich zu dem Schluss, dass sie nicht notwendig ist und wesentlich weicher formuliert werden kann.
Ich habe in der Vergangenheit mit diversen “agilen” Projektsteuerungsmethoden arbeiten müssen und habe eine instinktive Abneigung gegen SCRUM-Meetings, Sprints und all das Geraffel entwickelt, das damit zusammenhängt. Doch ein paar der Methoden habe ich dennoch als sinnvoll empfunden und bin froh, dass sie inzwischen auch in meinen Arbeitsalltag integriert wurden. Der Gedanke, Projekte dynamisch zu steuern, ist dann doch gar nicht so abwegig, wie es die bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Abläufe aus der Vergangenheit vermuten ließen.
Denn wozu brauche ich eine feste Deadline auf zum Beispiel den 13.06.2025, wenn danach exakt nichts direkt danach mit den Ergebnissen passiert? Solange nicht direkt nach dem Fertigstellungstermin mit den aus dem Projekt herauskommenden Daten weitergearbeitet werden muss, also ein fester Starttermin für Folge- oder Fortsetzungsprojekte ansteht, besteht oft kein wirklicher Grund für einen festen Termin.
Als sinnvoller stellen sich oft “softe” Ziele heraus: Man schätzt ab, wie viel Zeit und Arbeit vermutlich in eine Aufgabe fließt und setzt sich ein entsprechendes Zeitfenster, zu dem die Aufgabe erledigt werden kann. Am besten legt man noch ein wenig Zeit drauf, um unvorhergesehene Problematiken lösen zu können. Dann steht als Zielzeitraum vielleicht “Ende Quartal 2 2025” im Plan. Und der ist genauso soft wie er als Zeitpunkt ist: Wenn in dieser Zeit das Projekt nicht abgeschlossen ist, wird evaluiert, wie viel Zeit noch benötigt wird und das Ziel entsprechend angepasst. Das passiert allerdings nicht erst kurz bevor das Projektende erreicht ist, sondern in regelmäßigen Abspracheterminen mit den Projektverantwortlichen und -mitarbeitern. Das mag an Sprintplanung erinnern, ist jedoch deutlich entspannter und weniger dogmatisch. Wenn bei länger laufenden Projekten alle 1-2 Wochen über den Projektstatus gesprochen wird, lässt sich gut abschätzen, ob es zu Verzögerungen kommt und wo nachgesteuert werden sollte, ohne dass tägliche Meetings viel Zeit fressen und für erheblichen Mehraufwand sorgen.
Ganz klar ist: Deadlines haben ihre Berechtigung. Spätestens wenn Liefertermine berücksichtigt werden müssen, wenn abhängige Arbeiten einen festen Starttermin haben oder anderweitig eine Abgabe zu einem bestimmten Zeitpunkt zwingend notwendig ist (zum Beispiel auch, wenn einem Kunden ein Abschlussbericht zum Zeitpunkt x zugesagt wurde), kommt man um Deadlines kaum herum. Für viele andere Zwecke, wo einfach nur der Wunsch nach einem festen Zeitpunkt die Deadline steuert, würde ich davon absehen, sie einzusetzen.
Kommunikation
Kommunikation ist eins der Grundgerüste unserer Gesellschaft, privat wie auch beruflich. Die Fähigkeit, komplexe Thematiken in Worte zu fassen ist einer der Grundpfeiler aller menschlichen Gemeinschaften und sich auf ein Kommunikationsmodell zu einigen damit sehr wichtig.
Ich habe gerade im beruflichen Kontext viele Arten der Kommunikation erlebt. Vor allem die Zwischentöne und Machtverhältnisse, die darin Ausdruck finden, sind für mich extrem faszinierend. Gerade die zwischen den Zeilen übermittelten Nachrichten habe ich lange Jahre nicht verstanden und bin damit auch an meine Grenzen der dienstlichen Verständigung gestoßen.
In den letzten Jahren habe ich eine für mich relativ ungewohnte und neue Kommunikationsart kennen und schätzen gelernt: Gewalt- und hierarchiefreie Kommunikation. Das bedeutet für mich im Speziellen, dass meine Vorgesetzten nicht (oder nur sehr selten, wenn es nötig ist) von oben herab kommunizieren und sich mit Vorwürfen, Anschuldigungen oder generell harten Aussagen zurückhalten.
Der Effekt ist, dass ich persönlich mich in meiner Abteilung sehr wohl fühle. Ich habe weniger Angst, Dinge falsch zu machen oder nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstehe oder Unterstützung brauche. Auch die Angst davor, Fehler zuzugeben, ist deutlich geringer als vorher, als ich dauernd befürchtete, dafür Konsequenzen befürchten zu müssen, und seien es auch nur verbale.
Aber auch mein Umgang mit Kolleg*innen hat sich dadurch geändert, dass ich diese Kommunikationsart für mich übernommen habe. Ich versuche, niemandem ein schlechtes Gefühl zu geben, selbst wenn ich mit etwas nicht zufrieden bin. Das umzusetzen hat zwar etwas Überwindung gekostet, hat im Endeffekt aber bewirkt, dass meine Mitarbeiter*innen (aus meiner subjektiven Wahrnehmung heraus) weniger Hemmungen haben, sich mir anzuvertrauen und mich sinnvoll mit einzubinden.
Beispiele für respektvollen und friedlichen Umgang
Manchmal liest sich so etwas leider ziemlich abstrakt, also möchte ich an dieser Stelle einige Beispiele geben:
- jemand sagt einen Termin kurzfristig ab
- Häufige Reaktionen:
- Unmut darüber äußern, dass man so kurzfristig nicht planen kann
- Erwähnen, dass man einen anderen Termin extra abgesagt hat
- Fragen, ob man nicht hätte früher absagen können
- Positivere Reaktionen:
- Anbieten, zeitnah einen neuen Termin zu finden
- Am besten gar nicht auf Implikationen für einen selbst ansprechen
- Fragen, ob man irgendwie unterstützen kann, da es ja offenbar gerade irgendwo “brennt”
- Eine Deadline wird gerissen
- Häufige Reaktionen:
- Erklären, dass Deadlines einzuhalten sind
- Sofort eine neue Deadline deklarieren
- Klarmachen, dass deswegen jetzt andere warten müssen oder mit Kunden geredet werden muss
- Positivere Herangehensweise:
- Anbieten, gemeinsam noch einmal über die Deadline und die noch anstehenden Arbeiten zu schauen
- Ggf. den Zeitrahmen (oder die Notwendigkeit Deadline ansich) neu evaluieren und/oder Unterstützung durch andere Mitarbeiter organisieren
- Anbieten, die Verzögerung mit Dritten zu kommunizieren
- Häufige Krankheit/kurzfristige Ausfälle
- Häufige Reaktionen:
- Ankündigen, beim nächsten Gehaltsgespräch die Ausfallzeiten mit zu berücksichtigen
- Unplanbarkeit und die Auswirkungen auf das Team und Projekte hervorheben
- Krankschreibung ab Tag 1 einfordern
- Positivere Herangehensweise:
- Anbieten, über die Ursachen der Ausfälle zu sprechen und Möglichkeiten zu finden, zu unterstützen
- Gemeinsam Aufgaben finden, bei denen Ausfälle oder Verzögerungen nicht so schlimm ins Gewicht fallen
- Die Angst davor nehmen, dass derartige nicht bewusst herbeigeführten Ausfälle arbeits- oder gehaltstechnische Konsequenzen nach sich ziehen werden
- Fehler passieren oder ein Projekt fährt an die Wand
- Häufige Reaktionen:
- Vorwürfe, so etwas hätte nicht passieren dürfen
- Hinterfragen der Kompetenz und der Erfahrung
- Erinnern an Eskalationsketten und Verantwortung
- Positivere Herangehensweise:
- Vermitteln, dass Fehler jedem passieren können und dass daraus gelernt werden kann
- Gemeinsam herausarbeiten, an welcher Stelle Probleme auftraten und bei erkannten Wissenslücken entsprechende Schulungen vereinbaren
- Hinterfragen der eigenen Projekt- und Führungsstruktur, um zukünftig derartige Fehler früher zu erkennen und abfangen zu können
Die genannten Beispiele decken zu großen Teilen die Kommunikation zwischen Hierarchiestufen ab, bei denen also die Reaktion beim Vorgesetzten oder Projektverantwortlichen liegt. Für den Umgang auf derselben Hierarchieebene gilt aber im Grunde dasselbe: Vorwürfe und Unwillen schaffen eine Barriere, die verhindern kann, dass offen miteinander kommuniziert wird.
Eigene Erfahrungen
Ich bin im Grunde schon ausgebrannt und depressiv zu meinem aktuellen Arbeitgeber gewechselt, ohne zu diesem Zeitpunkt davon selbst etwas zu wissen. Ich tat mich schwer, mich in die Themenfelder selbstständig einzuarbeiten, fühlte mich (ebenfalls ohne zu wissen, wieso) bei den Penetrationstests immer unwohl und unfähig, obwohl ich anscheinend ganz brauchbare Arbeit ablieferte und kam generell nicht so richtig in Schwung. Das positive Umfeld und der respektvolle Umgang untereinander und auch mit Kunden half mir aber, nicht aufgrund von Selbstzweifeln einfach alles hinzuwerfen.
Dann kam die Depression mehr und mehr durch. Es fing damit an, dass ich nach Kundenaufträgen die Anfertigung des Berichts immer weiter nach hinten schleifen lief und schließlich erst kurz vor der Deadline überhaupt erst anfing, daran zu arbeiten. Das gipfelte darin, dass ich erst in der Nacht vor Abgabe den Bericht schrieb und danach einen meiner Kollegen in die unangenehme Position brachte, innerhalb weniger Stunden noch eine Qualitätssicherung der Dokumente vorzunehmen. Das war der Moment, in dem ich ärztliche Hilfe suchte und die Depression diagnostiziert wurde.
Einige Wochen oder Monate später schaffte ich es gar nicht mehr, auch nur eine Zeile Bericht zu schreiben, häufig war es sogar zu anstrengend, morgens das Bett zu verlassen. Ich vernachlässigte nicht nur im Privaten, sondern auch im Beruflichen meine Verpflichtungen und wurde unplanbar.
Ich bin damals relativ offen mit der Diagnose umgegangen und informierte meinen Vorgesetzten über alles, was meine Arbeitsfähigkeit beeinflusste. Gemeinsam erarbeiteten wir Möglichkeiten, wie ich weiterhin im Team arbeiten konnte, zum Beispiel schufen wir eine Möglichkeit, dass ich die Berichte mit Unterstützung eines weiteren Kollegen schreiben konnte. Generell wurde meine Arbeitslast gesenkt und ich wurde vermehrt für unterstützende Tätigkeiten in der Forensik eingesetzt anstatt die Systeme der Kunden aktiv zu testen.
Die depressiven Phasen blieben, wurden mal mehr, mal weniger schlimm. Es gab viele Gespräche mit meinem Vorgesetzten, die immer sehr verständnisvoll waren und von dem Wunsch geprägt wurden, mich sinnvoll einzusetzen, aber mir auch eine Heilung zu ermöglichen.
Irgendwann entschloss ich mich, in den Incident Response-Bereich zu wechseln. Die Team-Mitglieder kannte ich bereits seit Jahren und verstand mich blendend mit ihnen. Zudem half mir der neue Arbeitsbereich, mich neu zu fokussieren und Reserven zu reaktivieren, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da waren. Vermutlich kickte an dieser Stelle mein ADHS maximal, denn eine neue spannende Aufgabe löst zumindest kurzzeitig oft einen Fokus aus, der den Depressionserscheinungen entgegen steht. Dadurch, dass jeder Einsatz komplett anders war als der vorige, hielt die Arbeitsfähigkeit fast zwei Jahre an, bevor die Depression wieder die Oberhand gewann.
Auch hier war meinem ersten und danach der neuen Vorgesetzten von Anfang an klar, woran sie waren. Die regelmäßigen Feedback-Gespräche drehten sich von Anfang an primär darum, meine vorhandene Arbeitskraft sinnvoll einzusetzen und dass ich mich damit wohl und nicht überlastet fühlte. Zu Zeiten, in denen die Depression die Führung übernahm, wurden mir alle Freiräume geschaffen, die ich benötigte, um wieder auf die Schiene zu kommen. Es wurden Möglichkeiten gesucht und oft auch gefunden, mir Ängste zu nehmen und weiterhin eine Arbeitsumgebung bereitzustellen, die dazu beiträgt, die Heilung zu begünstigen.
Ein wichtiger Punkt war oft die Frage danach, was mir persönlich gerade helfen und gut tun würde. Die Antwort war oft gar nicht so einfach zu finden, denn vieles musste ich einfach erst einmal ausprobieren und hatte davor nur eine vage Ahnung, was es für mich bedeuten würde. Zuletzt bedeutete das, dass ich aus dem aktiven Incident Response-Team ins dahinter stehende Operations-Team wechselte, um dort die Kollegen zu unterstützen und speziell die Bandarchivierung unter meine Fittiche zu nehmen. Kurzfristig trat der erwartete Effekt auf: Ich konnte mich voll in meine Themen vertiefen und hatte keine Probleme, meine volle Arbeitsleistung zu erbringen. Doch nachdem die Grundlagen erarbeitet waren, ließ der Schaffensdruck wieder nach und ich dümpelte wieder monatelang vor mich hin, mit kurzen Aktivitäts-Spikes.
Aktuell steht die Übergabe meiner OPS-Tätigkeiten und meine Rückkehr in die aktive Fallbearbeitung an. Nicht ganz ohne Ängste und leichte Bauchschmerzen meinerseits, aber auch hier bin ich mir sicher, dass wir einen Modus finden werden, mit dem ich arbeiten kann.
Was sich über all die Jahre hinweg durchzog war die Unterstützung all meiner Vorgesetzten und Kollegen bis hin zur Firmenleitung. Sicher, es gab von Zeit zu Zeit Rückfragen, wie es denn um meine Arbeitsfähigkeit stehe, auch aus finanztechnischen Gründen. Mindestens genauso oft kamen aber auch Rückfragen bezüglich meiner Gesundheit und wie es mir gerade geht. Meine Vorgesetzten hielten mir den Rücken frei anstatt mich an Stellen einzubinden, die absehbar nicht funktionieren würden. Das Ziel wurde immer wie folgt kommuniziert: “Wir möchten Dich mit Deiner Erfahrung und auch als Menschen noch lange in der Firma behalten” - und auch, wenn sich das für mich persönlich immer sehr über-positiv und weichgespült anhörte, war es ehrlich gemeint. Und wenn man es aus Sicht der Firma sieht ergibt es auch Sinn: Einen Mitarbeiter, der schon viele Jahre dabei ist und Erfahrungen in diversen Unternehmensgebieten hat, der die meisten anderen Mitarbeiter*innen kennt und der die Unternehmenskultur lebt, möchte man nicht verlieren. Auch wenn die eigentliche Arbeitsleistung unter der der “gesunden” Kolleg*innen zurückzustehen scheint.
Forensik (WIP)
In der IT-Forensik habe ich gelernt, auch das komplett Unerwartete und Unwahrscheinliche als Möglichkeit nicht auszuschließen. Ich möchte euch einige kuriose Erkenntnisse und Fallstricke auch hier nicht vorenthalten.
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Incident Response
Incident Response - wenn beim Kunden die IT unkontrolliert herunterbrennt, können Incident Response-Teams in vielen Fällen helfen, die Brandherde zu löschen und die Panik in Momentum verwandeln.
Feuerwehreinsatz ohne Löschschlauch
Feuerwehr-Vergleiche bieten sich bei den meisten Incident Response (IR) Einsätzen an: Man löscht schwelende Feuer in der Infrastruktur, sucht in abgebrannten Servern nach überlebenden Datenfragmenten, zieht noch nicht brennende Systeme aus dem Gefahrenbereich heraus, betreut die betroffenen Mitarbeiter und koordiniert die Zusammenarbeit mit Dienstleistern, Behörden und anderen Rettungsstellen wie der Polizei, dem LKA oder auch mal dem BKA.
Natürlich reist ein IR-Team nicht mit Blaulicht im roten Drehleiterwagen an, auch wenn einige Betroffene sich das alleine wegen der Signalwirkung “jetzt passiert was!” sicher wünschen würden - der psychologische Effekt wäre bestimmt deutlich messbar. In meinem / unseren Fall würden jedoch immerhin mindestens eine Handvoll Menschen, teilweise im Anzug, teilweise in Alltagskleidung, vor der Türe stehen, schwere Koffer mit Ausrüstung im Gepäck, und sich als das angeforderte IR-Team vorstellen. Dann geht es aber ähnlich wie bei Feuerwehr- und Polizeieinsätzen weiter: Lageerfassung, Krisenstabsräume bereitstellen und Krisenstäbe definieren (beides sofern noch nicht durch den Kunden bereits geschehen), Identifizierung von aussage- und weisungsberechtigten Personen. Das technische Team baut die Analyse-Infrastruktur auf und checkt gemeinsam mit den technischen Ansprechpartnern die Lage, während das Krisenmanagement-Team sich Vorstände und Abteilungsleiter greift und sich daran macht, notwendige Maßnahmen zu definieren und umzusetzen, die aus kommunikationstechnischer und rechtlicher Sicht notwendig sind.
Krisenmanagement in a nutshell
Ohne an dieser Stelle zu tief ins Detail zu gehen (immerhin verdienen wir mit diesem Wissen unser Geld), gibt es viele Fallstricke, die ein Unternehmen oft nicht in Gänze auf dem Schirm hat. Informationspflichten und Deadlines in Richtung Kunden, Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Behörden, die sich je nach Unternehmen stark unterscheiden können. Außerdem die Erfassung von betroffenen Geschäftsprozessen und deren Abhängigkeiten, von SLAs und anderen Vereinbarungen mit Geschäftspartnern und Kunden, die man aufgrund des Ausfalls möglicherweise nicht einhalten kann und vieles mehr.
Ein weiterer Faktor, den viele beim Begriff “Krisenmanagement” nicht direkt im Kopf haben werden, sind die Mitarbeiter selbst. Ein Vorfall, der einen IR-Einsatz auslöst, ist in den meisten Fällen für alle Beteiligten sehr stressigcitation needed. Eine Freundin sagte mir einmal “Stress macht leistungsfähig - aber dumm” und hätte es damit nicht besser treffen können. Wer sinnvolle Entscheidungen in einer Krisensituation treffen muss, sollte möglichst einen Zustand erreichen, in dem der Stress möglichst niedrig ist. Leicht gesagt, zugegeben. Doch auch das ist Teil des Krisenmanagements. Im Zweifel heißt das auch: Mitarbeiter sinnvoll beschäftigen, damit überhaupt nicht erst das Gefühl aufkommt, im Leerlauf zu sein; Führungskräften und Entscheidern Überblick und eine positive Aussicht zu verschaffen.
Ran an die Server - nur gucken, nicht anfassen!
Okay, die Überschrift ist etwas irreführend. Generell gesprochen werden die meisten IR-Teams heutzutage nicht von einem Systemhaus gestellt, sondern über eigenständige Firmen, die sich mit IT-Sicherheit beschäftigen oder sich gänzlich auf IR spezialisiert haben. Von Zeit zu Zeit hat man sogar die Möglichkeit, Mitarbeiter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) im Haus zu haben, die bei der Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit unterstützen - ich würde trotz der durchweg positiven Erfahrungen dazu raten, dennoch möglichst darauf zu verzichten, in entsprechende Situationen zu kommen.
Als IR-Team sind wir in der Regel beratend unterwegs. Wir richten keine Server ein, wir legen keine Netzwerkkabel und wir konfigurieren nicht die Firewall. Das ist Aufgabe der entsprechend fachlich zuständigen Mitarbeiter und Dienstleister, deren Bemühungen wir koordinieren und Hilfestellungen bei der korrekten Umsetzung der Maßnahmen geben. Natürlich kommt es von Zeit zu Zeit trotzdem einmal vor, dass wir Zugänge zu Firewalls oder SIEM-Systemen bekommen, um Logdaten und Auswertungen selbstständig zu ziehen, aber die Regel ist das nicht - und soll es auch nicht sein.
Des Weiteren unterstützen die technischen Experten das Krisenmanagement-Team bei der Erfassung technischer Abhängigkeiten und realistischen Wiederherstellungszeiten für die Planung auf der nächsthöheren Ebene. Die beiden Teams arbeiten Hand in Hand, um Blocker möglichst zeitnah ausfindig zu machen und entsprechend schnell gegensteuern zu können. Oft betreuen Krisenmanager und “Techies” auch separate Krisenstäbe, die sich dann im Nachgang koordinieren. Dabei wird versucht, die entsprechenden Krisenstäbe so klein wie möglich zu halten und von dort aus Aufgaben zu delegieren, denn nichts hemmt eine Entscheidung mehr als zu viele Entscheider, die alle erst einmal alles durchdiskutieren wollen.
Um Geräte zu identifizieren, die kompromittiert oder auf andere Art in den Vorfall eingebunden sind, müssen teilweise viele Daten untersucht werden, Hierfür werden in der Regel mit forensischen Tools Abbilder der entsprechenden Datenträger erstellt, die dann auf unseren eigenen Systemen vor Ort oder remote untersucht werden können. Ab und zu müssen Daten von solchen Abbildern wieder bereitgestellt werden, ab der Prüfung und Übergabe der Daten endet aber auch wieder unsere Zuständigkeit. Generell versuchen wir, eine befallene Infrastruktur als solche nach Möglichkeit offline zu nehmen und mit frischen Systemen den Betrieb wiederherzustellen. Das ist nicht immer vollumfänglich möglich, hier finden sich dann andere Lösungen, um eine weitere Gefährdung von Infrastruktur, Daten und Menschen so weit wie möglich einzudämmen.
Wann sind die endlich wieder weg?
Spätestens mit dem Erreichen eines stabilen Notbetriebs und eines Fahrplanes für die weitere Wiederherstellung oder den Neuaufbau der Infrastruktur ist unser Einsatz als IR-Team meistens vorbei. Andere Firmen haben möglicherweise andere Exit Points definiert, und auch wir lassen natürlich einen Kunden, der weiterhin Unterstützung benötigt, nicht im Regen stehen. In so einem Fall besteht immer die Möglichkeit, dass ein reguläres Team die Betreuung übernimmt, das bei BCM- oder Infrastrukturthemen beratend zur Seite steht - dann allerdings mit einem regulären Vertrag. Die IR-Teams sollten natürlich so schnell wie möglich wieder für den nächsten möglichen Vorfall (hoffentlich bei einem anderen Kunden) zur Verfügung stehen! Auch hier wieder der Feuerwehr-Vergleich: Ist das Feuer gelöscht und der Ort des Vorfalls gesichert rücken die Einsatzkräfte wieder ab und die Polizei, die Reinigungskräfte und die zuständigen Planungskräfte für den Wiederaufbau übernehmen.
Penetrationstests (WIP)
Der Anfang meines Ausflugs in die IT-Security. Fallstricke bei den üblichen Tools und Erkenntnisse aus dem einen oder anderen Pentest finden hier ihren Platz.
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Unterabschnitte von ADHS
Kindheit
Wie bereits in der Rubrik Über mich
angedeutet, hatte ich als Kind starke Anzeichen von ADHS, was damals am ehesten als “Zappelphilipp” bezeichnet worden wäre. Weder der Kinderarzt noch andere Menschen, die mit diesen Auffälligkeiten hätten vertraut sein sollen (Erzieher*innen, Kindergärtner*innen, Lehrer*innen, …), haben dies bemerkt.
Es waren ganz typische Verhaltensweisen und Eigenarten, von denen ich hier nur einige aufzähle, um einen kurzen Überblick zu geben:
- Vergesslichkeit
- “Sprechdurchfall”
- sprunghafte Aufmerksamkeit
- Lange Konzentration nur bei Dingen, die mich brennend interessierten
- schlechtes Zeitempfinden
- Abgelenktheit in der Schule
- soziale Isolation in Kindergarten und Schule
- Unzuverlässigkeit
- Gedankengänge, denen schwer zu folgen war
- keinerlei Ordnungssinn
- permanenter hoher Bewegungsdrang und Probleme, dem nicht nachzugeben
Mich selbst und meine Familie hat das alles nicht wirklich belastet. Ich kannte es nicht anders und meine Familie akzeptierte, dass ich manchmal ein wenig wunderlich war. Die Tatsache, dass ich sehr schnell lernte, schnell für Dinge zu begeistern war (allerdings oft auch genauso schnell wieder das Interesse verlor) und keine Berührungsängste gegenüber anderen menschen hatte, hat wohl maßgeblich dazu beigetragen, dass mein Verhalten generell nicht als “abnormal” wahrgenommen wurde. Etwas eigen ja, aber nicht krankhaft.
Ich erinnere mich, dass ich mich in der Grund- und Hauptschule hauptsächlich gelangweilt habe. Meine Noten waren gut bis sehr gut, obwohl ich nach Meinung der Lehrer nie aufpasste. Ein Blick in die Zeugnisse, die ich zu Diagnosezwecken meinem Psychiater mitbrachte, bestätigte diese Erinnerung. Die Hausaufgaben hatte ich auch selten dabei, nicht, weil ich sie im engeren Sinne “vergessen” hätte - ich hatte einfach keine Lust darauf und habe sie so lange vor mir hergeschoben, bis es zu spät war und ich ins Bett musste. Während des Unterrichts war ich oft abgelenkt - ein Trecker auf dem Feld vor dem Klassenzimmer war oft interessanter als die Lehrer*in am Pult und den Rest der Zeit alberte ich leise mit den Klassenkamerad*innen herum.
Zu Hause gab es allerdings auch genug Dinge, die ich interessanter fand als die Hausaufgaben, die ja nur eine Wiederholung dessen waren, was man mir schon in der Schule erzählt hatte, also die reinste Zeitverschwendung waren. Aus meiner Sicht, wohlgemerkt. Warum etwas wiederholen, was man schon verstanden hat? Jedenfalls ging es nachmittags dann entweder an die Lego-Kiste oder an die Bücher, wenn die Abenteuer im Wald nicht noch interessanter waren. Eine lebhafte Phantasie hatte ich schon damals und wenn gerade nichts los war, malte ich mir im Kopf aus, ein Pirat zu sein, oder ein Feuerwehrmann, oder ein Affe, der auf Bäume klettert - das, was die meisten Kinder wohl auch tun würden. Gut, ich kannte kein Ende; wenn ich einmal in “meiner” Welt versunken war, vergaß ich alles um mich herum. Stundenlang auf einer Birke in 6 Metern Höhe hocken und zuweilen sogar dort oben einschlafen? Check. Lokführer mit der Gartenbahn spielen, bis es so dunkel war, dass meine Eltern mich vorsichtshalber reinholen mussten? Check. Mit Lego Phantasiebauwerke, Dungeons mit Falltüren oder komplexe Maschinen bauen, ohne auch nur daran zu denken, etwas zu essen oder zu trinken? Check. Und als irgendwann der C64 bei mir einzog, den meine Eltern mir schenkten (ich glaube, es war zu Weihnachten) war es aus und vorbei. Ich war acht oder neun Jahre alt und hatte nur noch Augen für die “Brotkiste”. Die Handvoll Spiele, die mir dazugelegt wurden, fesselten mich für ein paar Monate, bis ich das dicke Programmierhandbuch entdeckte. Mein Vater hat wohl einige Abende sehr bereut, mir das Gerät besorgt zu haben, denn er musste mir fortan die mir unverständlichen Begriffe in BASIC erklären und übersetzen, damit ich mir selber programmieren beibringen konnte.
Diese selektive Konzentrationsfähigkeit und das Eingraben in Themen, die gerade interessant sind, sind typisch für ADHS-Kinder. Das während des Spielens und Programmierens erforderliche Stillsitzen vor dem Gerät war für mich kein Problem. Zum einen sah es wohl für Außenstehende so aus, als würde ich den Joystick mit dem ganzen Körper bedienen statt mit einer Hand, so sehr ging ich bei jeder Bewegung mit (was im Übrigen beim Spielen mit dem Controller des NES bei Freunden genauso aussah). Zum anderen hing ich wohl schon als Kind mit Vorliebe in den verquersten Körperhaltungen auf dem Stuhl, mein Vater sprach von einem “Schluck Wasser in der Kurve”. Es sind viele kleine Erinnerungen an geflügelte Worte und Situationen, die mir heute helfen, meinen Zustand bis zur Kindheit zurückzuverfolgen und zu plausibilieren.
Jugend
Die echten Probleme gingen im Grunde erst los, als ich durch einen Umzug nach Schleswig-Holstein die Schule wechselte und mein winziger Freundeskreis plötzlich unerreichbar wurde. Ich war zwischenzeitlich auf die Realschule gewechselt, da das nächstgelegene Gymnasium, auf das ich gemessen an den Schulischen Leistungen hätte wechseln sollen, einfach zu weit weg war. Auch in der Realschule waren meine Leistungen gut, daher erschien es sinnvoll, mit dem Umzug den Wechsel ans Gymnasium zu wagen. Das muss ca. in der 6. Klasse gewesen sein.
Wir sind im Übrigen im Laufe meiner Jugend noch einige male umgezogen, vielleicht habe ich daher das “Wandergen” in mir. Lange hielt es mich bisher selten an einem Ort, ohne dass ich das Gefühl hatte, weiterziehen zu müssen. Aber das vorerst nur am Rande.
Cut zum Gymnasium. Meine ersten Tage dort waren schwierig, ich würde sogar sagen: Traumatisch. Ich kannte niemanden. Der Unterrichtsstoff der Gymnasialschüler war ein anderer als der, den ich aus der Realschule kannte, bzw. waren sie uns in einigen Bereichen einfach voraus. Ich hatte also das erste Mal im Leben einen Rückstand aufzuholen, für den ich weder verantwortlich war, noch die notwendigen Hilfsstellungen bekommen habe, um dies zu schaffen. Ich erinnere mich genau an eine Situation mit einer meiner Lehrerinnen zu dieser Zeit. Sie unterrichtete Englisch, was ich in Grundzügen zwar durch meine Programmiertätigkeiten lesen konnte, aber noch nie gesprochen oder bewusst gehört hatte. Heutzutage beginnt der Englischunterricht teils schon in der dritten Klasse, in den 80ern war das noch undenkbar. Ich, der Neue in der Klasse, hatte sowieso einen harten Stand. Die Klassenkamerad*innen fühlten mir auf den Zahn und loteten aus, wie viel ich mir gefallen lasse, während die Lehrer*innen mich teilweise am liebsten wieder auf die Realschule geschickt hätten. Weniger Arbeit, weniger Stress mit dem Nachzügler. Aber zurück zu der Lehrerin. Ich klebte förmlich an ihren Lippen, um ein Gefühl für die Sprache zu bekommen. Unbewusst muss ich stumm die Wörter nach- und mitgesprochen haben, denn an einem der ersten Tage des Unterrichts fuhr sie mich an, ich solle mich unterstehen, sie nachzuäffen. Was ich dummer Realschüler eigentlich am Gymnasium wolle, ich solle zu meinesgleichen gehen, da wäre ich besser aufgehoben. Der Wortlaut kann ich nicht zu 100% wörtlich wiedergeben, aber er war sehr nah an dem, was ich hier schreibe. Später hatte ich bei ihr noch Französisch, denk Dir den Rest…
Manche Lehrer*innen machten mir das Leben schwerer, manche unterstützten mich nach Kräften. Generell erinnere ich mich jedoch im Nachgang an keinen Tag, an dem ich gerne zur Schule gegangen wäre, seit ich auf das Gymnasium gewechselt war. Meine Mitschüler*innen trugen ihren Teil dazu bei, indem sie dem Begriff “Mobbing” eine neue Dimension gaben, die ich nicht kannte und mit der ich nicht umgehen konnte. Ich zog mich zurück, hatte als Klassenaußenseiter mit zwei weiteren Außenseitern (ebenso technikbegeisterte Nerds wie ich) Freundschaft geschlossen, aber die stetigen seelischen und körperlichen Angriffe forderten ihren Tribut. Zweimal Sitzenbleiben, Mitte der 11. Klasse lange Krankheit und danach freiwilliges Ausscheiden aus der Schule.
Was hat das Ganze nun mit ADHS zu tun?
Viele meiner Verhaltensweisen, die ich als Kind und bis zur Realschule noch ganz normal ausgelebt habe (Erinnerung: Für mich war das alles normal und ich wurde akzeptiert wie ich war), führten am Gymnasium zu Problemen. Fehlende Konzentrationsfähigkeit, Störung des Unterrichts durch ständiges Tuscheln (meine Klassenkamerad*innen hatten sehr schnell begriffen, wie schnell ich abzulenken und damit auch zu manipulieren war) und Hibbeln auf dem Stuhl und die bereits bekannten Probleme, die Hausaufgaben abzuliefern. All das wurde auf einmal nicht mehr akzeptiert oder mit guten Absichten getadelt, jedoch nicht nachverfolgt. Plötzlich wurde nahezu alles, was mich ausmachte, kritisiert und gegen mich verwendet. Ich unterstelle den Lehrern dabei nicht einmal böse Absichten; sie konnten mit einem ADHS-Kind einfach nichts anfangen, zudem sie von der Krankheit genausowenig etwas wissen konnten wie ich damals selbst. Das Ganze führte dazu, dass ich mich mehr und mehr zurückzog.
Irgendwann kam das Internet in Mode und wurde auch für Privatpersonen bezahlbar. Einen Optokoppler habe ich live nie gesehen, aber ein analoges Modem blockierte eines Tages die Telefonleitung meiner Familie. Ich frickelte mich durch das entstehende Internet, lernte, probierte aus. Stundenlang. Ich erinnere mich, wie ich mit roten Ohren meinen ersten E-Mail Account erstellte, immer in der Erwartung, dass jetzt irgend etwas schlimmes passieren kann, eine hohe Rechnung oder andere Dinge. Meine erste Homepage. Und dann: Chaträume! EIner der damals größten Anbieter hatte es mir angetan, denn es gab einen Chatraum für Rollenspiele. Ich hatte zwischenzeitlich mit meinen Nerd-Kumpels eine DSA-Runde gestartet und Gefallen an den dynamischen Kopfwelten und dem Würfelglück gefunden, und so fiel es mir nicht schwer, mich in das Chat-Rollenspiel in all seinen Facetten zu verlieren. Und plötzlich war ich Teil einer Community. Leute, mit denen ich frei reden konnte. Leute, die zwar auch manchmal etwas komisch waren, aber mich akzeptierten. Leute, die komische Klamotten trugen und noch komischere Musik hörten. Mein Einstieg in die Gothic-Szene, die mich viele Jahre begleiten sollte und bis heute einen Platz in meinem Herzen hat.
Wir klatschten, tratschten, telefonierten und trafen uns alle paar Monate irgendwo in Deutschland. Die anderen waren genauso seltsam, schräg und spannend wie ich sie mir im Chat vorgestellt hatte. Eine wilde Mischung aus großartigen Menschen und zerbrochenen Existenzen. Und ich mittendrin, auf allen Ebenen. Und rückblickend mit Sicherheit die eine oder andere Leidensgenossen mit undiagnostiziertem ADHS. Das fiel aber bei den ganzen seelischen Schieflagen, die sich in dieser Community offenbarten, auch nicht weiter auf. Ich integrierte mich, stellte für meine Mitstreiter Online-Services bereit (es war die Zeit der Foren, an Facebook, Google & Co. war noch nicht zu denken) und tat alles, um die Gunst der Stunde nicht zu verlieren. An anderer Stelle hatte ich genug zu kämpfen und kompensierte das auf diesem Weg.
Als das Schulleben Anfang 20 (remember: Zweimal sitzen geblieben und tatsächlich schon im Kindergarten ein Extrajahr angehängt wegen “sozialen Anpassungsschwierigkeiten”) für mich zu Ende war, suchte ich mir einen Job, fing eine Ausbildung an, lachte mir meine erste Freundin an, beendete die Ausbildung nach wenigen Monaten, wurde im Ausbildungsbetrieb als unausgebildeter Hauptadministrator fest angestellt und hielt mich irgendwie über Wasser. Emotional ging es jedoch bergab, meine Beziehung zu meinem Vater wurde immer schlechter und ich packte schließlich meine Siebensachen und zog weit, weit weg nach Essen.
Erwachsenenalter
Essen - warum ausgerechnet Essen? Ich glaube, das ist die eine Frage, die ich mir in den folgenden drei Jahren am meisten gestellt haben dürfte. Dabei ist die Antwort ganz einfach: Kurzschluss-Reaktion.
Einige Monate nachdem ich meine Ausbildung abgebrochen und den Job als Administrator angenommen hatte, geschahen Dinge, die die Firma in den Konkurs trieben. Mein Leben, das durch verschiedene Umstände reichlich aus den Fugen geraten war und das durch den Job und die damit verbundene Sicherheit etwas stabilisiert wurde, stand plötzlich wieder auf wackligen Beinen. Die sich zuspitzenden Konflikte mit meinem Vater zu Hause und ein Gefühl, nirgendwo richtig hinzupassen in der Gesellschaft führten dazu, dass ich nach Auswegen suchte. Und in dem Moment, als sich einer manifestierte, schlug ich zu. Ein Bekannter bot mir an, mit ihm eine WG zu gründen, zumindest so lange, bis ich wieder einen klaren Kopf haben würde und/oder selbst Fuß gefasst hätte. Ich sollte drei Jahre bei ihm leben.
Ich hatte in den Jahren davor gelernt, mit der Wut, die sich in den Gymnasiums-Jahren in mir angesammelt und sich nicht selten in Jähzorn-Ausbrüchen manifestiert hatte, umzugehen. Beziehungsweise ist “damit umgehen” vermutlich zu viel gesagt ist - ich schluckte sie herunter, ignorierte sie, zwang mich, alles äußerlich ruhig hinzunehmen ohne direkt zu explodieren. Gesünder wäre es vermutlich gewesen, die Wut nur zu verzögern, bis ich mich abreagieren konnte, ohne jemandem zu schaden. Die Erkenntnis kommt leider zu spät.
Auch gelernt hatte ich, dass meine Ängste und Unsicherheiten in Bezug auf andere Menschen und deren Akzeptanz am einfachsten für mich zu handhaben sind, indem ich versuche, mich jedem gegenüber so zu verhalten, wie ich glaubte, dass dieser es erwarten würde. Ich war nie ein unhöflicher Mensch, habe schon mein ganzes Leben lang Wert darauf gelegt, gewisse Umgangsformen einzuhalten, weil ich sie selber als angenehm und wünschenswert empfand. Jedoch hatte ich das Ganze ins Extrem getrieben und versuchte unterbewusst, jedem zu gefallen, um Enttäuschungen und Konflikten aus dem Weg zu gehen.
Man mag sich fragen, wieso. Ich kann es nur vermuten. Ich hatte schon immer Schwierigkeiten, das Verhalten von Menschen zu verstehen. Während Emotionen nahezu ungefiltert auf mich einprasselten (wenn jemand weinte, stiegen mir die Tränen in die Augen; wenn jemand wütend war, ballte ich die Fäuste; wenn Leute lachten und glücklich waren, war ich es auch), überforderten mich die komplett unverständlichen und unvorhersehbaren Reaktionen auf allen anderen Ebenen. Wieso verstanden andere oft nicht das, was ich sagte, sondern etwas, von dem sie glaubten, dass ich es meinte? Wieso sagten sie etwas, meinten aber etwas ganz anderes? Wann meinte jemand etwas ernst und wann scherzte er? Und warum wurde manches was ich sagte als unpassend empfunden, wenn es doch der Wahrheit entsprach? Die feinen Nuancen der menschlichen Kommunikation waren für mich immer eine Hürde. Dazu kam, dass ich mir nichts sehnlicher wünschte, als so spontan und wortgewandt zu sein wie viele andere. Antworten auf unerwartete Fragen, über die ich minutenlang nachdenken musste, kamen bei anderen wie aus der Pistole geschossen. Wenn ich das versuchte, redete ich nur unpassenden Unsinn.
All diese Unsicherheiten und Verständnisprobleme führten nach und nach dazu, dass ich Mechanismen entwickelte, um genau diese Schwächen auszugleichen und vor anderen zu verstecken, denn sie boten Angriffsoberfläche. Ich unterdrückte viele meiner Emotionen, denn damit konnte ich auch bedingt verhindern, dass ich die Emotionen anderer spiegelte und selbst viel stärker als meine eigenen fühlte. Ich ging alle möglichen (auch die unwahrscheinlichen) Abzweigungen von bevorstehenden Gesprächen im Kopf durch und fand schon im Voraus die passendsten Antworten auf die meisten davon. Teilweise lag ich nächtelang wach, weil in meinem Kopf innere Monologe und Dialoge möglicher Gesprächspfade in Dauerschleife abliefen. Das gab mir dann im Gespräch einen Anschein von Spontanität und Schlagfertigkeit und mir bescherte es ein wenig weniger Panik vor dem Kontakt mit Menschen. Die Verständnisprobleme bezüglich der Feinheiten der menschlichen Kommunikation bekam ich damit zwar leider nicht in den Griff, konnte aber auch da mit jedem Tag ein wenig mehr lernen, Situationen besser einzuschätzen und zu lernen, in welchem Kontext manche Dinge dies, in anderen Kontexten aber jenes bedeuteten. Ein unglaublich komplexes Gespinst aus wenn-dann-sonst-Verknüpfungen im Kopf, das permanent Aufmerksamkeit erfordert, aber mich halbwegs sicher durch den Tag navigiert.
Zurück nach Essen. Nach einigen Wochen, die ich brauchte, um überhaupt erstmal die neue Umgebung und den neuen Mitbewohner kennenzulernen und mich zu akklimatisieren, suchten wir gemeinsam neue Jobs. Er war langzeit-arbeitlos, Dauerkiffer und mindestens genauso unsortiert wie ich. Wir bewarben uns beide bei Medion als Hotline-Mitarbeiter: Ich wurde angenommen, er nicht. Bei ihm blieb es leider auch bei diesem einen Versuch, geregelte Einkünfte zu erzielen, in den folgenden Jahren war es meist ich, der den Kühlschrank füllte.
Der neue Job war spannend, aber stressig. Die Lernkurve war auf technischer Ebene nicht sonderlich steil für mich, denn mit Computern und Windows im Speziellen kannte ich mich hervorragend aus, oft besser als so manch alteingesessener Kollege. Aber wie man mit Kunden am Telefon umgeht, wie man ihnen die Informationen, die man braucht, um ihnen zu helfen, herankommt und nicht nur an die, von denen sie glauben, dass sie relevant sind, das wusste ich nicht. Dieser Teil der Lernkurve war steiler als alles, was ich bisher kannte. Ich lernte, Menschen zu verstehen; nicht das, was sie sagten, sondern das, was sie nicht sagten. Und das alles unter Zeitdruck. Wenn ab und zu mal ein Gespräch länger als 10 Minuten dauerte wurde das noch geduldet, wenn es täglich passierte wurde ermahnt, wenn es mehrfach am Tag passierte gab es ernste Gespräche. Und so lernte ich auch, schnell zum Punkt zu kommen, ohne meinem Gegenüber das Gefühl zu geben, dass er oder sie in der Schnellabfertigung gelandet ist. Alles Skills, die mir bis heute gute Dienste leisten. Und bei allem: Immer freundlich bleiben, egal wie wütend mein Gesprächspartner ist. Check. Hatte ich in den Jahren zuvor ja gelernt.
Der Stress, der mit der Beschäftigung in der Hotline kam, wäre vermutlich für mich nicht handhabbar gewesen, aber mir kam an dieser Stelle sehr zugute, dass mein Mitbewohner anfangs immer Cannabis im Haus hatte. Man mag darüber denken wie man will, aber um einen ruhigen Kopf zu bekommen, nachdem man einen stressigen Tag hatte, hilft es. Und so wurde auch ich nach kurzer Zeit zum regelmäßigen Kiffer. Anfangs nur ab und zu nach der Arbeit, dann jeden Abend, irgendwann rauchte ich auch vor der Arbeit zu Hause noch einen halben Joint, um ruhig und gelassen die Schicht zu beginnen. Ich war im Team auch nicht der einzige, der sich auf diese oder ähnliche Art das Arbeiten erleichterte. Mit der Zeit wurde zudem auch das Leben mit meinem Mitbewohner zunehmend zur Belastung, da er mehr und mehr die Kontrolle über sich, sein Leben und seine anger issues verlor, die ich selber ja bereits in den Griff bekommen hatte. Da half auch kein Kiffen mehr und als bei einem seiner Wutanfälle eines Tages mein Handy an der Wand zersplitterte zog ich die Reißleine. Ich zog für ein halbes Jahr zu einem Arbeiskollegen nach Bochum, kündigte kurz darauf und zog relativ spontan wieder in meinem Elternhaus ein.
Eine spannende Entwicklung, aber das sei hier nur am Rande erwähnt, ergab sich zwischen mir und meinem Vater, nachdem ich Jahre zuvor ausgezogen war. Unser Verhältnis besserte sich quasi über Nacht, die ganzen Reibereien, die wir hatten, waren vergessen und nicht mehr existent. Sie kamen auch nicht wieder, als ich wieder zu Hause einzog und den Keller in Beschlag nahm, den mein Vater eigentlich als sein Arbeitszimmer eingerichtet hatte.
Lange sollte das Wohnen bei der Familie auch nicht währen, ich verliebte mich und zog nach Bremen zu meiner Angebeteten. Dort hielt ich mich ein weiteres Jahr in einer Hotline über Wasser und begann dann meine erste ernsthafte Ausbildung als Fachinformatiker für Systemintegration - tatsächlich meine zweite Wahl, aber Anwendungsentwickler gab es offenbar schon genug. Die drei Ausbildungsjahre verliefen relativ ereignislos, in der Berufsschule lieferte ich gute Noten ab, langweilte mich zu Tode, hatte mit einigen Lehrern eine Art stumme Vereinbarung, dass ich nicht jede Fehlstunde eingetragen bekomme, solange meine Noten nicht absacken, und so verbrachte ich viel Zeit in der IT-Abteilung der Firma, teilte mein Wissen mit den anderen Auszubildenden, hielt die Infrastruktur am Laufen, setzte die Wünsche meiner Kollegen wenn möglich um und lernte allerlei über die internationale Vernetzung von Standorten, den Betrieb von SAP-Systemen und auch, wie man mit dem einen oder anderen Ausfall von Teilen der Infrastruktur umgeht. Ein kleiner Ausblick auf meine spätere Laufbahn im Incident Response? Vielleicht…
Die Beziehung endete, andere kamen und gingen und auch die Ausbildung ging irgendwann zu Ende. Ein 2er-Schnitt, nicht schlecht, hätte eine 1 überall sein können, wenn ich gelernt oder mich angestrengt hätte. Aber ich konnte mich nicht dazu durchringen. Dieses “mich zu etwas zwingen” war schon immer ein Problem, auf allen Ebenen. Schule, Beruf, Beziehung, Alltag. Dinge, die ich nicht als direkt sinnvoll oder zielführend erkannte, vernachlässigte ich. Aufgaben, die mir Spaß machten, waren dagegen eher Selbstläufer. Alles, was sich stumpf wiederholte war mein Todfeind, vermutlich auch einer der Gründe, warum ich selber rückblickend nicht sonderlich beziehungsfähig zu sein scheine und auch den Arbeitgeber recht regelmäßig nach 2-4 Jahren wechselte. Am Anfang ist alles spannend, aber nach Monaten bis Jahren stellt sich Routine ein. Und Routine vertrage ich nicht.
So auch mit der Ausbildungsfirma. Drei Jahre Ausbildung waren beendet und ich freute mich auf mehr Verantwortung und mehr Entscheidungsmöglichkeiten in der IT-Umgebung. Es kam anders, entgegen vorigen Absprachen bekam ich einen IT-Leiter vorgesetzt, mit dem ich weder menschlich noch fachlich auf einen Nenner kam und die Aufgaben blieben größtenteils dieselben. Dazu kamen nun auf Weisung des neuen Vorgesetzten viele strukturelle Vorgaben, die mir weder sinnvoll erschienen, noch in meine Arbeitsweise passten. Ich hatte aber auch gelernt, Dingen Zeit zu geben, da ich mich mit der Zeit an manches gewöhnen und anpassen konnte oder sich Situationen von alleine lösen. Und so blieb ich weitere drei Jahre in der IT, half meinen nachfolgenden Azubis, durch ihre Ausbildung zu kommen und versuchte, den IT-Leiter so gut es ging zu ertragen, zu ignorieren oder zu konfrontieren, wenn es ganz unerträglich wurde. Leider gab es diesbezüglich wenig Rückhalt seitens der Führungsebene und so gab ich schließlich auf.
Zu dieser Zeit geschahen mehrere Dinge, die mich seelisch aus der Bahn warfen. Der stärkste Faktor war der Tod meines Vaters, den ich jahrelang nicht verkraftet habe. Auch heute fällt es mir teilweise schwer, darüber nachzudenken. Ich hatte mir ungefähr in derselben Zeit bei einem Fahrradunfall einen Wirbel gebrochen und hatte die Aussicht, für den Rest meines Lebens mit Einschränkungen planen zu müssen, außerdem hatten meine damalige Freundin und ich uns frisch getrennt und es war keine von den ruhigen Trennungen, die zwar weh tun, aber sich richtig anfühlen. Sprich: Absolutes Gefühlschaos und die Aussicht auf eine ungewisse Zukunft, und es passierte das, was schon damals vor dem Umzug nach Essen passierte: Kurzschluss, Überschlagshandlung. Ich kündigte den Arbeits- und Mietvertrag und zog zu meinem damals besten Freund nach Berlin.
Kaum eingezogen wurde klar, dass die Wohnung für zwei Personen deutlich zu klein war. Da das Zusammenleben ansich aber gut zu funktionieren schien, beschlossen wir, eine WG mit zwei weiteren Menschen zu gründen. Gesagt, getan, es entstand eine WG, die über die Jahre eine hohe Mitbewohner-Fluktuation hatte und bei der ich am Ende der letzte verbliebene ursprüngliche Mieter war.
Während der WG-Zeit wurde klar, dass mit mir etwas nicht stimmte. Psychisch, seelisch, generell. Meine beste Freundin, die auf der anderen Seite Deutschlands lebte, nahm sich das Leben und meine emotionale Reaktion darauf blieb nahezu komplett aus. Die primäre Gefühlsregung war Unmut darüber, dass ich mir nun für den nächsten geplanten beruflichen Aufenthalt in der Region eine Alternativplanung für das dazwischenliegende Wochenende überlegen müsse. Nur ein Anflug von Trauer, der Verlust kam bei mir emotional nicht an. Mein nächster Weg war dann der zum Hausarzt, der eine mittelgradige Depression vermutete und mich zum Psychiater überwies, der dann exakt diese Diagnose stellte. Es folgten Jahre des Ausprobierens verschiedenster Antidepressiva, die ich allesamt körperlich nicht vertrug. Psychisch machten sie keinen Unterschied. An einen Therapieplatz zu kommen war schwierig und so landete ich kurzfristig zwar in einer Tagesklinik, die mich kurzzeitig stabilisierte, aber nach ein paar Monaten ging es mir wieder sehr schlecht.
Die Erkenntnis, die mich zum Facharzt trieb, war nur der Gipfel vieler Dinge, die mir in den Jahren davor, speziell in der Berliner Zeit, hätten auffallen können. Bereits in Bremen diagnostizierte ein Arzt Burnout, schwammig wie zu erwarten, und nahm mich für einige Wochen aus dem Arbeitsalltag. In Berlin hatte ich anfangs nur Schwierigkeiten, mich in Aufgaben einzuarbeiten und hatte keine weiteren Einschränkungen. Ich hatte einen großen Bekanntenkreis, mit dem ich viel unterwegs war und hatte Spaß daran, mich mit Menschen zu umgeben. Ich hatte acht Jahre lang in Bremen eine Großcommunity betreut, die meine damalige Partnerin und ich ins Leben gerufen hatten und die am Ende über 2000 Mitglieder zählte. Ich war den Umgang mit Menschen inzwischen gewohnt und hatte gelernt, wie ich mich zu verhalten hatte, um akzeptiert zu werden. Doch in Berlin ebbte der Menschenkontakt mit den Jahren immer mehr ab. Wo ich anfangs fast jedes Wochenende mit den WG-Mitgliedern, Freunden und Bekannten feiern war, Festivals und Konzerte nicht nur besuchte, sondern im Rahmen der gemeinsamen Band auch auftrat, zog ich mich mit der Zeit mehr und mehr zurück, verließ selten das Haus und trat aus der Band aus. Beruflich war ich seinerzeit als Penetrationstester tätig und mir fiel immer öfter auf, dass ich die anfallenden Berichte nur unter größter Überwindung schreiben konnte; am Ende schaffte ich es nicht einmal mehr, die Vorlage zu öffnen und den Namen des Kunden einzutragen. Die WG ging in die Brüche, da ich den Anforderungen der anderen Mitbewohner nicht mehr gerecht werden konnte und diese nicht damit umgehen konnten, dass ich aktuell nicht anders kann als mich zurückzuziehen. Ich zog aus, was (meinerseits unbeabsichtigt, aber nicht änderbar) das Ende des Mietvertrages für die ganze WG bedeutete.
An dieser Stelle war ich durch die Depressionen teilweise schon so gelähmt, dass ich es an manchen Tagen nicht mal mehr schaffte, das Bett zu verlassen. Der Arbeitgeber fing mich auf, war besorgt und gewährte mir die Freiräume, die ich brauchte, um trotzdem auf irgend eine Art weiter am Betriebsgeschehen teilzunehmen. Der Wechsel in andere Aufgabenbereiche und Abteilungen brachte kurzzeitig Erleichterung, aber auch das Verständnis und die Unterstützung von Vorgesetzten und Kollegen war überwältigend und nahm mir eine Menge meiner Ängste. Schließlich fand ich einen Therapeuten, der zwar nicht die erhoffte tiefenpsychologische Psychotherapie anbieten konnte, aber immerhin eine Gruppentherapie, die langsam aber sicher kleine Verbesserungen bewirkte und dies bis heute tut.
Der Weg zur Diagnose
Kaum hatte ich die Therapie begonnen, kam (wie in meinem Leben üblich) überraschend der seit Jahren eingeschlafene Kontakt zu einer alten Freundin aus Bremer Zeiten wieder zustande. Man tauschte sich aus und plötzlich lag das Thema ADHS auf dem Tisch. Sie sei diagnostiziert worden und seitdem ginge es ihr deutlich besser. Es kristallisierte sich heraus, dass sie mit ganz ähnlichen Dingen zu kämpfen hatte, die ich selber nur allzu gut kannte, aber nie als abnormal wahrgenommen hatte, denn ich kannte es ja nicht anders. Ich begann, mich mit der Thematik auseinander zu setzen und erkannte extrem viele Paralleleln zu meiner eigenen Vergangenheit und Gegenwart. Ich lernte, dass ADHS nicht auf magische Weise im Erwachsenenalter verschwindet, dass es eine unbekannte Dunkelziffer an undiagnostizierten Personen gibt und dass man auch als Erwachsener versuchen kann, eine entsprechende Diagnose zu bekommen, wenn man die Vermutung hat, betroffen zu sein. Das brachte mich dazu, mit einem neuen Arbeitskollegen zu sprechen, der ebenfalls diagnostiziert wurde und relativ offen mit der Diagnose umging. Über ihn bekam ich die Adresse eines Dacharztes für ADHS und verwandte Themen und viele Informationen zum Umgang mit dieser Krankheit. Spannend war auch zu erleben, wie viele andere Kollegen sich nach kurzer Zeit ebenfalls als bereits diagnostiziert oder mit einem starken Verdacht “outeten”. Einige sind wie ich erst durch diesen gemeinsamen Austausch das erste Mal damit zum Arzt gegangen und einige sind inzwischen ebenfalls diagnostiziert.
Lange Rede, kurzer Sinn: Mein bisheriger Psychiater, bei dem ich wegen der Depressionsthematik in Behandlung war, schloss ADHS bei mir kategorisch aus. Ich bat ihn, dennoch die entsprechenden Testreihen mit mir durchzugehen, welche ich dann auf eigene Kosten auch absolvierte. Und die Ergebnisse waren aus meiner Sicht relativ deutlich, selbst als Laie konnte ich die starken Abweichungen von vielen Prüfpunkten sehen. Mein Psychiater allerdings beharrte auf seiner Meinung, und so wechselte ich zu dem Facharzt, den mein Kollege mir nannte.
Nun hatte ich schon drei Testergebnisse in der Hand, meine Zeugnisse sowie einen Bericht meiner Mutter angefordert, in der sie ihr Erleben meiner Kindheit beschrieb und reichte alles dort ein. Mein erster Termin bei dem Doc war relativ kurz. Ich erzählte, was mich zu ihm führte und welche Beobachtungen mich zu meinem Verdacht brachten, während er die Testergebnisse und die anderen Unterlagen überflog. Nach nur wenigen Minuten unterbrach er mich, ich brauche nicht weiterreden, das sei schon ein ziemlich eindeutiger Fall von ADHS und da müsse man (in Richtung meines bisherigen Psychiaters gesehen) schon mehr als beide Augen zugekniffen haben, um keinen entsprechenden Verdacht zu haben. Ich bekam Medikamente, die ich ausprobieren sollte und wurde für einen Monat zum Laborkaninchen in begrenzter Eigenregie. Beim nächsten Besuch bekam ich den selben Wirkstoff, allerdings in der für Erwachsene zugelssenen retardierten Form und auf Kassenrezept.
Das Thema Depressionen und ADHS könnte laut dem neuen Psychiater durchaus stark miteinander verknüpft sein. Wenn die Psyche permanent durch auf sie einprasselnde Eindrücke, die nicht intuitiv verarbeitet werden können, sondern immer volle Konzentration erfordern, überlastet wird, kann sie mit depressiven Symptomen reagieren. Das bewirkt schlussendlich, dass man sich diesen Eindrücken nicht mehr (oder nicht mehr so stark) aussetzt. Allerdings kommen durch so einen Rückzug auch neue Stressauslöser wie Selbstzweifel, Zukunftsängste oder Einsamkeit hinzu, die wieder die Depression verstärken. Mit Sicherheit ist damit ADHS zwar nicht der einzige Faktor, der meine Depressionen ausgelöst hat, aber einer der wichtigsten.
Leben nach der Diagnose
Durch die Diagnose hat sich in meinem Leben einiges geändert. Nicht einmal so sehr durch die Medikamente, auch wenn mir diese aktuell erlauben, mich den ganzen Tag auf meine Arbeit zu konzentrieren und andere Dinge besser auszublenden. Primär haben bei mir jedoch viele Denkprozesse eingesetzt, die ohne die Diagnose nur schwer oder gar nicht möglich gewesen wären.
So ist es alleine schon eine Erleichterung, durch diese Diagnose viele Dinge zu akzeptieren, die mich ausmachen. Sprunghafte Gedanken, wieso ticke ich da so anders als die meisten anderen? ADHS! Wieso kann ich nicht lange in einer Position sitzen und muss mich ständig bewegen, weil ich sonst das Gefühl habe, zu platzen? ADHS! Wieso kann ich mich auf Dinge, die mir Spaß machen und für die ich brenne, konzentrieren, aber auf andere nicht? Wieso sträubt sich mein Gehirn gegen Ordnung und sich wiederholende monotone Prozesse? ADHS! Wieso schlafe ich bei Frontalbeschallung (Schulungen, Unterricht, Konferenzen) ein, wenn ich mich nicht irgendwie ablenken kann oder mich das Thema wirklich extrem interessiert? ADHS! Ich lerne, dass ich mich nicht selber für solche Dinge hassen muss. Dass ich mich nicht dafür schämen muss, dass ich so bin. Dass ich es auch nicht ändern kann, selbst wenn ich will. Dass ich nicht faul bin, weil ich Dinge nicht schaffe, die vom Ding her easy sind, bis ich eine Deadline auf mich zurollen sehe und der entstehende Stress mich erst handlungsfähig macht. Ich muss mir keine Vorwürfe machen, wenn ich an unpassenden Stellen über etwas lache, das jemand gar nicht als Witz gemeint hat. Und ich habe das Recht, meinem Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug nachzugehen, auch wenn ich erst zehn Minuten unter Leuten bin, dadurch aber schon komplett überlastet bin.
Bei einigen Dingen (Konzentrationsfähigkeit, Ablenkungen in gewissem Rahmen ausblenden) helfen die Tabletten sehr. Und während sie bei vielen Menschen, die sie gerade im Studium illegal als Aufputsch- bzw. Konzentrationssteigerungsmittel nehmen eine sehr direkt wahrnehmbare Wirkung zu haben scheinen, merke ich davon tatsächlich eher wenig. Ich habe generell bei Medikamenten und Drogen, die in den Dopaminhaushalt eingreifen, beobachtet, dass diese kaum eine Wirkung bei mir haben. Auch in hohen Dosen beobachte ich bei mir nicht annähernd die Reaktion, die sie bei “neurotypischen” Personen haben. Generell beobachte ich bei mir selbst ein unglaublich geringes Suchtpotenzial. Ich habe in meinem Leben teils jahrelang stark geraucht, getrunken und gekifft. Und ich habe immer von einem Tag auf den anderen aufhören können, ohne dass ich großartige Entzugserscheinungen hatte. Am ehesten körperliche, gerade bei Alkohol, aber darüber hinaus hatte ich nie dieses Gefühl, wieder anfangen zu müssen oder den Entzug (sofern spürbar) abzubrechen. Es gab selten ein “ich brauche das jetzt”-Gefühl. Da ADHS nach aktueller Erkenntnis mit einen Dopaminmangel im Hirn einhergeht, verschiedene Drogen Dopaminausschüttung veranlassen und diese bei mir möglicherweise gestört ist, könnte dies ein möglicher Erklärungsansatz sein. Da es aber (Stand heute) schwierig bis unmöglich ist, einen Dopaminmangel direkt nachzuweisen, bleibt es eine Theorie, mit der ich aber ganz gut leben kann.
Kurioserweise könnte ein Dopaminmangel im Hirn, der indirekt meine Depressionen durch ADHS-typische Überlastung begünstigt hat, auch erklären, wieso ich die Antidepressiva nicht vertragen habe. Diese erhöhen auf verschiedenen Wegen auch die Konzentration anderer Neurotransmitter im Hirn, unter anderem Serotonin. Die Medikamente, die ich bekam, waren primär SSRIs, also selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Wenn nun mein Serotoninspiegel ganz normal war (auch hier: Ein Nachweis ist im lebenden Hirngewebe schwierig) reagiert der Körper auf eine Erhöhung der Pegel mit Vergiftungserscheinungen. Schwindel, Übelkeit, Schweißausbrüche, Gleichgewichtsstörungen, Koordinationsstörungen, Herzrasen und Tinnitus waren meine Reaktionen auf nahezu jedes Medikament, das den Serotoninspiegel beeinflusst hat, bei manchen ausgeprägter und bei manchen weniger, aber generell immer die selbe Reaktion. Die Ärzte taten es als “Das sind normale Gewöhnungserscheinungen während des Einschleichens der Medikamente, da müssen Sie durch” ab. Die Symptome waren allerdings auch nach Monaten noch dieselben, während die erhoffte Wirkung ausblieb.
Generell gesprochen bin ich unglaublich froh, den Weg der ADHS-Diagnostik beschritten zu haben und mit einer entsprechenden Diagnose herausgekommen zu sein. Auch wenn viele Frage noch offen sind und ich erst einmal lernen muss, mit den Implikationen bestmöglich zu leben, habe ich alleine durch das Wissen, was warum so ist, wie es ist, ein mächtiges Werkzeug an der Hand. Ein Werkzeug, mit dem ich Dinge verändern kann, die mich kaputt machen und mit dem ich andere Dinge ausfindig machen kann, die mich beeinflussen, die ich aber nicht ändern kann. So kann ich gezielt nach Wegen suchen, meine durch ADHS entstandenen Einschränkungen und ungesunden Verhaltensweisen Stück für Stück zu ändern.
ADHS wird mich mein Leben lang begleiten. Die Depressionen vielleicht auch. Aber beides kann ich soweit in den Griff bekommen, dass ich damit leben und die positiven Aspekte (zumindest bei ADHS) für mich nutzen kann.
Gedanken und Erkenntnisse
Arbeitstechnisches / Kommunikation
Ein Freund fragte mich kurz nach Veröffentlichung dieser Rubrik, ob ich es für eine gute Idee halte, derartige Informationen über mich öffentlich verfügbar zu machen. Auf Rückfrage erklärte er, ich mache mich dadurch zum einen angreifbar, zum anderen senke ich aber auch meinen Wert am Arbeitsmarkt bzw. gebe möglichen zukünftigen Arbeitgebern Informationen an die Hand, aufgrund derer sie mich nicht einstellen könnten.
Ansich sind das nachvollziehbare Gedanken. Natürlich könnte jemand Informationen, die ich hier über mich preisgebe, gegen mich verwenden. Theoretisch jedenfalls. Praktisch würde das vermutlich nur gelingen, wenn ich mit mir und meinem Zustand im Unreinen wäre. Bin ich allerdings nicht. :) Womit soll man mir schaden wollen? “Ich sag Deinem Arbeitgeber, dass Du krank bist”? Weiß der schon seit Jahren und unterstützt mich auf allen Ebenen. Meine Familie ebenso. Auch der Freundeskreis weiß Bescheid. Direkt angreifbar bin ich durch das Ganze auch nicht, sonst hätte ich vermutlich schon größte Schwierigkeiten gehabt, über das Ganze zu schreiben.
Und die Sache mit zukünftigen Arbeitgebern (die das hier potenziell auch lesen)? Das ist für mich die unkritischste bzw. einfachste Facette der Fragestellung. Ich handhabe das als automatisches Aussieben. Wenn ein potenzieller zukünftiger Arbeitgeber von meiner Krankheit erfährt und daraufhin kein Bewerbungsgespräch anbietet: So be it, das wäre tatsächlich auch kein Arbeitgeber, mit dem ich glücklich werden würde. Meinerseits verstehe ich meine Offenheit dem Thema gegenüber auch als Fairness denen gegenüber, die mit mir zusammenarbeiten wollen, denn so wissen sie, was auf sie zukommen würde. So haben beide Seiten die Chance, die Karten offen auf den Tisch zu legen und auf Augenhöhe zu verhandeln. Wenn dadurch direkt ein hoher Prozentsatz an Angeboten wegfallen würde, soll mir das recht sein. Gespräche in dieser Richtung wären Zeitverschwendung für beide Seiten - der verbleibende Rest ist der, für den ich mich interessiere.
Gründe für die Offenheit
Auch diese Frage höre ich von Zeit zu Zeit. Die Frage, wieso ich sowohl dem Arbeitgeber als auch der Öffentlichkeit gegenüber offen über ADHS und Depressionen rede. Auch da kommt oft das Argument “Angreifbarkeit” und “das geht doch keinen was an”.
Spätestens bei letzterem Punkt möchte ich widersprechen: mental issues gehen uns als Gesellschaft sehr wohl etwas an. Dass diese traditionell kleingeredet, ganz verschwiegen oder mit Alkohol seitens der Betroffenen im stillen Kämmerlein behoben werden ist Teil eines ganz massiven Problems. Wenn ich in bestimmten Kreisen herumfrage, mit denen ich viel zu tun habe, und quasi von jeder zweiten Person zu hören bekomme “Ja, mit Depressionen/Burnout hatte ich auch schon selber zu tun”, geht das jeden etwas an. Auch Menschen mit ADHS-Verdacht oder -Diagnosen, die erst im Erwachsenenalter zum Thema wurden, kenne ich unglaublich viele - vollkommen unabhängig von meiner eigenen Diagnose und den Kreisen, die das gerade zieht.
Genauer gesagt haben wir zwei Probleme, wegen denen ich mit der Thematik nicht stumm bleibe: Offenbar begünstigt unsere aktuelle Gesellschaft die Entstehung von psychischen Erkrankungen, außerdem werden diese meist totgeschwiegen (“Was sollen denn die anderen denken?!) und die Symptome werden im Zweifel nur noch schlimmer. Wir brauchen mehr Psychologen, die sich auskennen und auch kurz- und mittelfristige Termine anbieten können. Wir brauchen mehr Forschung zu den Ursachen. Wir brauchen mehr Sichtbarkeit, Rückhalt und Verständnis in der Bevölkerung und bei Arbeitgebern.
Gerade ADHS ist keine einseitige Medaille. Sicher, einige Aspekte des Lebens werden dadurch erschwert und wenn es durch den Überlast-Marathon zu weiteren Erkrankungen wie Depressionen kommt, ist das kaum etwas, aus dem man etwas Positives ziehen kann. Auf der anderen Seite erlebe ich ADHS-Betroffene als hyperkreativ, unglaublich leistungsfähig wenn man ihnen Aufgaben gibt, die sie interessieren und oft auch aufopfernd hilfsbereit. Wenn Gesellschaft und Arbeitgeber es schaffen, dieses Potenzial zu nutzen, ohne die negativen Aspekte zu befeuern, hätten alle etwas davon.
Von toten Linien und roten Fäden
Für die meisten Menschen sind Deadlines kein großes Problem. Man kümmert sich rechtzeitig und hat die Deadline im Blick, kann also dafür sorgen, dass Aufgaben rechtzeitig vorher beendet sind, um die zeitlichen Vorgaben einzuhalten.
Für mich sind Deadlines eine besondere Art von Endgegnern. Sie tauchen vollkommen überraschend auf und schlagen gnadenlos zu. Sicher, der eine oder andere wird jetzt vollkommen zu Recht anmerken, dass die Deadline ja vorher kommuniziert, angekündigt und bestimmt auch im Kalender vermerkt war. Kurioserweise ist mir das auch jederzeit bewusst, es ist nicht so, dass ich von der Deadline nichts weiß. Es ist nur so, dass sie halt in der Zukunft liegt, und die ist etwas, das mein Bewusstsein nicht als unaufhörlich auf mich zurollende Entität wahrnimmt.
Das Problem ist, dass viele ADHS-Betroffene ein fehlendes Gefühl für dieses Ding namens “Zeit” haben. Zeit ist schon für Physiker etwas, das man schwer beschreiben kann, denn es lässt sich zwar messen, aber nicht so richtig fassen. Zeit vergeht unterschiedlich schnell für Objekte, die sich unterschiedlich schnell bewegen - aber eigentlich nur aus der Perspektive des jeweils anderen bzw. eines Beobachters. Die Zeit als Komponente der Raumzeit ist ein relativ junges Konzept. Und dass Zeit einfach das Wahrnehmen des Bedürfnisses aller Dinge ist, sich in Richtung maximaler Entropie zu entwickeln… naja, das ist schon arg abstrakt. Da ist es schon praktisch, dass die meisten Menschen ein Gefühl für Zeit entwickelt haben und dass wir über Messgeräte verfügen, die den Ablauf der Zeit wenigstens im selben Bezugsrahmen halbwegs genau bestimmen können.
Irgendwann Anfang 2024 las ich das erste mal davon, dass meine Mitleidenden offenbar primär im “Jetzt” leben. Planung ist schwierig und auch Erinnerungen einem bestimmten Zeitpunkt zuzuordnen fällt schwer. Wie so oft erkannte ich mich in dieser Beschreibung auffällig gut wieder. Frag’ mich, was ich am Vorabend gegessen habe: Ich habe größte Schwierigkeiten, die Frage zuverlässig zu beantworten. Nicht, weil ich nicht wüsste, was ich so in letzter Zeit zu mir genommen habe, in der Regel merke ich mir das schon. Aber ich kann nicht zuordnen, ob es nun die Puffreis-Cracker waren, die Nudelsuppe oder der Müsliriegel. In den meisten Fällen kann ich so etwas nur anhand der Umstände rekonstruieren: Müsliriegel esse ich eher morgens oder mittags im Büro, Nudelsuppe mittags im Büro oder abends zu Hause, Reiscracker eher nur abends zu Hause. Und so habe ich schließlich eine ausreichend plausible Reihenfolge, dass ich behaupten kann: “Vermutlich Puffreis, glaube ich.”
In diesem Kontext fällt oft der Begriff “time blindness” und dieses Unvermögen, Zeit zuverlässig als konstant fließendes Konstrukt wahrzunehmen, sorgt nicht nur beim Erinnern der letzten Mahlzeiten für Ungemach. Auch Deadlines werden damit zum abstrakten Begriff, da sie erst dann als relevant wahrgenommen werden, wenn sie im “Jetzt” ankommen, oder zumindest beim Blick auf den Kalender der aktuellen Woche sichtbar werden. Bei mir persönlich ist es zudem so, dass ich, selbst wenn ich von einer Deadline weiß, die gerade noch mit vertretbarem Aufwand zu schaffen ist, dadurch in keinen Reaktionsmodus komme. Ich weiß, dass ich JETZT anfangen müsste, Dinge zu tun, aber der Impuls im Kopf, der darauf Taten folgen lassen sollte, liegt still in einer Ecke und döst vor sich hin. Warum das so ist? Vermutlich wie bei so vielen Dingen ein Dopaminmangel.
Das Spannende an Dopamin ist für mich, dass es, sobald ich eine Tätigkeit angefangen habe, offenbar in ausreichenden Mengen produziert wird. Habe ich diesen inneren Mt. Everest überwunden, der mich daran hindert, mit einer Tätigkeit zu beginnen, gehen mir die meisten Tätigkeiten leicht von der Hand. Oft verliere ich zwar nach einiger Zeit wieder die Konzentration oder das Interesse, aber das ist mit den richtigen Medikamenten ein lösbares Problem.
Der innere Mt. Everest ist für mich nur schwer zu bezwingen. Es gibt drei Möglichkeiten, wie ich es aktuell schaffe:
- Die Deadline steht vor der Tür und die Panik, es nicht zu schaffen, trägt mich über diesen Berg; meist folgt durchgehende Nachtarbeit, um es noch rechtzeitig zu schaffen.
- Medikamente helfen mir, den Berg etwas abzutragen, bevor ich ihn besteige. Klappt nicht immer, aber wenn, komme ich gut voran.
- Zeit. Gerade das Konstrukt, das mir solche Probleme macht, löst sie manchmal auch, denn irgendwann überkommt es mich doch und ich laufe einfach um den Berg herum. Bis das passiert können aber Wochen und Monate vergehen, daher ist das für Deadlines eher keine Lösung.
Bevor ich Medikamente bekam, vor meiner Diagnose, hatte ich keine Erklärung dafür, wieso ich nicht in der Lage war, Deadlines einzuplanen und zu berücksichtigen wie meine Kollegen. Wieso meine Hilfsmittel alle versagten und nur die kurz bestehende Deadline mich in einen Zustand brachte, der es mir mit massivem Stress und Schuldgefühlen erlaubte, die meisten Deadlines dennoch einzuhalten - zu Lasen meines Körpers und des seelischen Wohlbefindens. Das zieht sich wie eine rote Linie (man beachte meine geschickte Referenz auf den zweiten Teil der Headline) durch mein ganzes Leben, mal mehr, mal weniger intensiv. Heute weiß ich, dass das weder meine Schuld ist, noch dass ich mich dafür schämen muss. Ich habe zudem Werkzeuge in die Hand bekommen, mit denen ich diese Situation besser in den Griff bekomme.
ADHS & Depressionen
Ich habe lange überlegt, ob ich dem Thema Depressionen einen eigenen Bereich widme oder es unter ADHS eingliedere. Würde ich alle Facetten beleuchten wollen, gäbe es sicherlich genügend Inhalte, um eine eigene Rubrik damit zu füllen. Vermutlich würde auch mein Psychologe widersprechen, wenn ich die Depressionen hart mit ADHS verknüpfe, doch mein Gefühl sagt mir, dass in meinem Fall eine Vermischung sinnvoll ist.
Was haben also Depressionen (in meinem Fall) mit ADHS zu tun? Wie schon in Der Weg zur Diagnose
angeteasert ist es für mich durchaus wahrscheinlich, dass mein undiagnostiziertes und damit unbehandeltes ADHS einer der Auslöser für Burnout und Depressionen im Erwachsenenalter war. Mein Kopf steht quasi immer unter Hochspannung. Das, was ich mein ganzes Leben lang als normal wahrgenommen habe, findet bei den meisten Menschen so gar nicht statt, wie ich in den Monaten nach der Diagnose lernen musste. Ständig wechselnde Interessen, Fokusrichtungen, Aufmerksamkeit? Fehlende Filter und Überforderung mit zu viel Input, den neurotypische Menschen einfach automatisch wegsortieren? Menschen zu “lesen” ist ein willentlicher Kraftakt? Ein Großteil der Menschheit wird das nicht ansatzweise nachvollziehen können.
Ich rede seit der Diagnose mit vielen neurodiversen Menschen, die ich bisher nicht einmal als ebenfalls betroffen wahrgenommen hatte. Ich frage auch Freunde, Bekannte und Kollegen, die eher im normalen Spektrum einzuordnen sind, wie sie Dinge wahrnehmen und handhaben. Und es zeichnet sich ein recht deutliches Bild ab: Viele der Menschen, die starke Anzeichen von ADHS zeigen, haben auch ihre Erfahrungen mit Burnout und Depressionen gemacht. Der Anteil der Menschen, die damit eher nichts zu tun hatten ist unter uns Eichhörnchen gefühlt deutlich höher.
In Der Weg zur Diagnose
berichtete ich über meinen auf ADHS spezialisierten Psychiater, der diesbezüglich eine ganz klare Meinung hat, nämlich dass ADHS-Patienten durch ihre Besonderheit von Kindheit an unter einer erhöhten Belastung leiden. Die Fähigkeit, sich auf eine bestimmte Sache zu konzentrieren und diese Konzentration zu halten, ist bei diesen Menschen weniger stark ausgeprägt als bei Neurotypischen, wodurch sie alleine durch die auf “normale” Menschen ausgerichtete Gesellschaft unter psychischem Druck stehen. Das Verständnis der Gesellschaft für abweichende Verhaltensweisen oder für die Unfähigkeit, sich “normal” zu verhalten, ist sehr begrenzt vorhanden, um es vorsichtig auszudrücken. So kommt zusätzlich zu den erschwerten Bedingungen, die Eindrücke des Umfelds nicht effizient filtern zu können, auch noch zusätzlicher Druck durch die Menschen um einen herum dazu. Erwartungshaltungen, die man unbedingt erfüllen muss (und auch will), um irgendwie erfolgreich und konfliktarm durchs Leben zu kommen.
Für mich ist das eine wichtige Erkenntnis. Während meiner Ausbildung zum Fachinformatiker stolperte ich in meinen ersten Burnout. Die Ausbildung war keine große Herausforderung, die meisten der dort vermittelten Wissensbereiche beherrschte ich bereits mindestens grundlegend und musste nie viel lernen, um die teilweise komplexen Themengebiete zu verstehen. Das Problem hier war am ehesten, nicht vor Langeweile noch im Klassenzimmer zu sterben, um es salopp auszudrücken.
Das eigentliche Problem war der Berufsalltag. Ich hatte schon relativ früh viele Aufgaben im IT-Betrieb meiner Ausbildungsfirma übernommen und versuchte mit den anderen Auszubildenden, die täglichen Anforderungen zu erfüllen und nebenbei noch die IT-Infrastruktur nicht nur am Laufen zu halten sondern auch weiterzuentwickeln. Diese war aus heutiger Sicht nicht überkomplex, allerdings hingen einige Anforderungen daran, in die man sich erst tief einarbeiten musste. Klingt cool, war es auch. Ich habe in dieser Zeit viel lernen dürfen, auch über meine eigenen Grenzen.
Was zum Problem wurde: Nicht klar kommunizierte Erwartungshaltungen, Routineaufgaben, Zwischenmenschliches.
Dass die Erwartungen meiner Vorgesetzten in einigen Fällen über das hinaus gingen, was bei mir vom Verständnis her ankam, wurde mir erst sehr viel später klar, als ich mit Freunden darüber redete. Denen war, als sie den Wortlaut einer Anforderung hörten, sofort klar, dass die Anforderung selbst oft nicht einmal das primäre Ziel definierte. Für mich selber stand der Wortlaut als solcher im Raum und ich führte ihn gewissenhaft aus, ohne zu realisieren, dass noch viel Ungesagtes drum herum ebenfalls umgesetzt werden sollte. Auch heute fällt es mir noch schwer, “zwischen den Zeilen” oder “über den Tellerrand hinaus” zu lesen. Die Erfahrungen im IT-Betrieb erlauben es mir zwar, in gewissem Rahmen zu extrapolieren, aber es kostet jede Menge Kraft.
Auch Routineaufgaben führten dazu, dass mich der Arbeitsalltag zunehmend belastete. Backup-Bänder wechseln, den globalen Spamfilter checken, alle Produktivsysteme auf korrekte Funktion checken, die Update-Meldungen der Hard- und Softwarehersteller auf kritische Sicherheitslücken prüfen, die sofort behoben werden müssen, Patchmanagement, etc… Alles sinnvolle und wichtige Aufgaben, aber: Routineaufgaben sind mein Erzfeind. Dinge, die sich immer wiederholen, die keine Abwechslung bieten, langweilen mich zu Tode und ich muss mich immer mehr zwingen, sie zu erledigen. Das Verständnis anderer Menschen dafür ist erwartungsgemäß gering und so stand ich zwischen den Stühlen: Entweder viel Energie darauf aufwenden, diese Aufgaben gewissenhaft zu erledigen oder mich dem Unmut meiner Vorgesetzten aussetzen, die vollkommen zu Recht auch auf die Erledigung dieser Aufgaben bestanden.
Zwischenmenschliche Probleme hatte ich schon immer. Dadurch, dass ich mich anders verhielt als der Rest der Kindergartenkinder, verbrachte ich ein zweites Jahr im Kindergarten - aufgrund sozialer Anpassungsprobleme. In der Schule war ich immer der Außenseiter, in den weiterführenden Schulen permanent Mobbing-Opfer. Erst mit Anfang 20 lernte ich Menschen kennen, die mich halbwegs so hinnahmen, wie ich war. Weird, sprunghaft, kreativ, aber irgendwie scheinbar auch interessant genug, um sich mit mir auseinander zu setzen. Doch das alles war Freizeit - im Beruf gab es genug Menschen, die mit meiner Art, Dinge anzugehen und mit Anderen zu reden, nicht umgehen konnten. Ich war zu diesem Zeitpunkt auf der anderen Seite auch nicht mehr bereit, meine Überzeugungen udn auch fachlichen Kompetenzen aufgrund solcher Befindlichkeiten dauernd kleinreden zu lassen und so krachte es zwischen einem meiner Vorgesetzten und mir teils gehörig; teilweise wurde es sogar ziemlich laut im Büro, was eigentlich gar nicht meine Art war. Aber die Nerven lagen zu diesem Zeitpunkt schon gehörig blank.
Dazu kamen der viel zu frühe Tod meines Vaters sowie eine sehr unschöne und emotional belastende Trennung von meiner damaligen Partnerin, die im selben Bürokomplex arbeitete wie ich. All das führte dazu, dass ich schließlich zum Arzt ging, weil ich nicht mehr arbeitsfähig war. Der diagnostizierte mir Burnout, schrieb mich für ein paar Wochen krank und legte mir nahe, Stress zu reduzieren und mir ggf. professionelle Hilfe zu suchen, wenn sich der Zustand nicht besserte.
Ich zog kurz darauf die Reißleine und kündigte, packte meine Siebensachen und zog zu einem guten Freund nach Berlin, der Stadt, die ich damals nicht ausstehen konnte. Aber ich konnte so zwei meiner drei großen Stresspunkte zurücklassen und erholte mich vorerst. Zwar stresste mich auch mein erster Berliner Job gehörig, doch ein paar Jahre hielt ich es aus, bis ich bei meinem jetzigen Arbeitgeber anheuerte.
Hier sprang ich erst einmal in eiskaltes Wasser. IT-Security, Pentesting… Ich wusste, worum es ungefähr ging, hatte ich doch schon als Jugendlicher das Internet auch auf kreative Weise genutzt und herausgefunden, wie man auch fremde Rechner und Server für sich nutzen kann. Ohne ins Detail zu gehen, ich war vielleicht ein besseres Scriptkiddie. Doch mein neuer Arbeitgeber hatte Vertrauen in mich und ich schätze, allzu blöd habe ich mich auch nicht angestellt. Doch nach einigen Jahren traten einige Ausfallerscheinungen bei mir auf, die ich nur allzu gut kannte. Prokrastination, Zeitmanagement-Probleme, Berichtsfaulheit (es fiel mir immer schwerer, Berichte zu schreiben oder später gar anzufangen). Eine ganze Weile kämpfte ich alleine dagegen an, weil ich Angst hatte, dass meine Vorgesetzten wie bisher bei allen anderen Arbeitgebern wenig Verständnis für solche Befindlichkeiten haben würden. Doch irgendwann konnte ich die Menge an Auffälligkeiten nicht mehr verbergen und wir führten viele Gespräche, in denen viel Verständnis und noch viel mehr Lösungsmöglichkeiten aufkamen.
Leider war es zu diesem Zeitpunkt bereits zu spät. Eigenständig konnte ich keine Kundentermine verabreden, keine Angebote schreiben, nicht selbstständig Arbeiten beim Kunden angehen. Mit anderen Kollegen, die mir Arbeitsaufgaben zuteilten, ging es noch eine Weile, doch hinterher die Ergebnisse aufzuschreiben fiel mir immer schwerer bis ich komplett blockiert war. Die Angst um den Arbeitsplatz und damit Sicherheit im eigenen Leben lähmte mich zusätzlich. So verschlechterte sich mein Zustand bis zu dem Punkt, an dem ich morgens nicht einmal mehr aus dem Bett kam.
Die Angst, die bei meinem Arbeitgeber nicht berechtigt war, denn hier wurde vorbildlich reagiert und alles versucht, um mich wieder auf die Beine zu bekommen, stellte sich leider im privaten Bereich als nicht herbeiphantasiert heraus. Meine Wohngemeinschaft störte sich dermaßen an meinem Rückzug aus dem Alltagsleben, dass sie mir nahelegten, mir eine neue Wohnung zu suchen; sie seien mit mir überfordert. Leider (und die Folgen tun mir wirklich leid) war die gesamte WG an meinen Mietvertrag gebunden und so verloren auch meine Mitbewohner ungewollt ihre Bleibe, als ich schließlich auszog.
Kurz vor der Auflösung der WG hatte ich meine erste Erfahrung mit Tageskliniken und Therapie gemacht. Ich ließ mich für sechs Wochen in eine Tagesklinik in der Nähe einweisen, wo ich lernte, mit mir und meiner Umwelt achtsamer umzugehen. Am Ende der Zeit dort spiegelte eine der Mitarbeiterinnen mir, dass sie nicht verstehe, wieso ich eigentlich dort war - die meiste Zeit sei ich fröhlich, ausgelassen und in positiver Grundstimmung gewesen, habe Workshops für meine Gruppenmitglieder angeboten und überhaupt keinen depressiven Eindruck gemacht. Heute ahne ich, dass der Wechsel in eine neue Umgebung, neue Aufgaben und die Freiheit, meine Zeit dort in Teilen so zu gestalten, wie ich es brauchte, der ausschlaggebende Punkt waren. Raus aus der bisherigen Routine. Weg von Erwartungshaltungen. Leute, die Verständnis hatten. Und klare Erwartungshaltungen seitens der Betreuer.
Doch die Depressionen waren nicht vorbei, zogen sich noch jahrelang weiter hin und es wurde klar, dass auch der Tod meines Vaters, den ich nicht wirklich verarbeitet hatte und der viele offene Wunden zurückließ, ein weiterer großer Faktor war. Diese Thematik sowie meine Anpassungen an meine Umgebung, die mir überhaupt ein halbwegs “normales” Leben ermöglichen, aber ansich an die Substanz gehen, sind nun Grundlage für meinen nach langer Zeit ergatterten Therapieplatz. ADHS wird hier größtenteils als Faktor ausgeklammert, da mein Psychotherapeut nicht an einen grundlegenden Einfluss diesbezüglich glaubt. Doch für mich ist dieser jeden Tag besser sichtbar. ADHS ist Auslöser für viele Kompensations-Verhaltensweisen, die sich negativ auf meine Psyche auswirken. ADHS bedeutet permanente Belastung, da das Filtern meiner Umgebung und die Konzentration auf bestimmte Dinge jede Menge Energie kosten. Und ADHS ist die Ursache für viele meiner sozialen Ängste, die sich ebenfalls auf meine Psyche auswirken.