Kommunikation

Kommunikation ist eins der Grundgerüste unserer Gesellschaft, privat wie auch beruflich. Die Fähigkeit, komplexe Thematiken in Worte zu fassen ist einer der Grundpfeiler aller menschlichen Gemeinschaften und sich auf ein Kommunikationsmodell zu einigen damit sehr wichtig.

Ich habe gerade im beruflichen Kontext viele Arten der Kommunikation erlebt. Vor allem die Zwischentöne und Machtverhältnisse, die darin Ausdruck finden, sind für mich extrem faszinierend. Gerade die zwischen den Zeilen übermittelten Nachrichten habe ich lange Jahre nicht verstanden und bin damit auch an meine Grenzen der dienstlichen Verständigung gestoßen.

In den letzten Jahren habe ich eine für mich relativ ungewohnte und neue Kommunikationsart kennen und schätzen gelernt: Gewalt- und hierarchiefreie Kommunikation. Das bedeutet für mich im Speziellen, dass meine Vorgesetzten nicht (oder nur sehr selten, wenn es nötig ist) von oben herab kommunizieren und sich mit Vorwürfen, Anschuldigungen oder generell harten Aussagen zurückhalten.

Der Effekt ist, dass ich persönlich mich in meiner Abteilung sehr wohl fühle. Ich habe weniger Angst, Dinge falsch zu machen oder nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstehe oder Unterstützung brauche. Auch die Angst davor, Fehler zuzugeben, ist deutlich geringer als vorher, als ich dauernd befürchtete, dafür Konsequenzen befürchten zu müssen, und seien es auch nur verbale.

Aber auch mein Umgang mit Kolleg*innen hat sich dadurch geändert, dass ich diese Kommunikationsart für mich übernommen habe. Ich versuche, niemandem ein schlechtes Gefühl zu geben, selbst wenn ich mit etwas nicht zufrieden bin. Das umzusetzen hat zwar etwas Überwindung gekostet, hat im Endeffekt aber bewirkt, dass meine Mitarbeiter*innen (aus meiner subjektiven Wahrnehmung heraus) weniger Hemmungen haben, sich mir anzuvertrauen und mich sinnvoll mit einzubinden.

Beispiele für respektvollen und friedlichen Umgang

Manchmal liest sich so etwas leider ziemlich abstrakt, also möchte ich an dieser Stelle einige Beispiele geben:

  • jemand sagt einen Termin kurzfristig ab
    • Häufige Reaktionen:
      • Unmut darüber äußern, dass man so kurzfristig nicht planen kann
      • Erwähnen, dass man einen anderen Termin extra abgesagt hat
      • Fragen, ob man nicht hätte früher absagen können
    • Positivere Reaktionen:
      • Anbieten, zeitnah einen neuen Termin zu finden
      • Am besten gar nicht auf Implikationen für einen selbst ansprechen
      • Fragen, ob man irgendwie unterstützen kann, da es ja offenbar gerade irgendwo “brennt”
  • Eine Deadline wird gerissen
    • Häufige Reaktionen:
      • Erklären, dass Deadlines einzuhalten sind
      • Sofort eine neue Deadline deklarieren
      • Klarmachen, dass deswegen jetzt andere warten müssen oder mit Kunden geredet werden muss
    • Positivere Herangehensweise:
      • Anbieten, gemeinsam noch einmal über die Deadline und die noch anstehenden Arbeiten zu schauen
      • Ggf. den Zeitrahmen (oder die Notwendigkeit Deadline ansich) neu evaluieren und/oder Unterstützung durch andere Mitarbeiter organisieren
      • Anbieten, die Verzögerung mit Dritten zu kommunizieren
  • Häufige Krankheit/kurzfristige Ausfälle
    • Häufige Reaktionen:
      • Ankündigen, beim nächsten Gehaltsgespräch die Ausfallzeiten mit zu berücksichtigen
      • Unplanbarkeit und die Auswirkungen auf das Team und Projekte hervorheben
      • Krankschreibung ab Tag 1 einfordern
    • Positivere Herangehensweise:
      • Anbieten, über die Ursachen der Ausfälle zu sprechen und Möglichkeiten zu finden, zu unterstützen
      • Gemeinsam Aufgaben finden, bei denen Ausfälle oder Verzögerungen nicht so schlimm ins Gewicht fallen
      • Die Angst davor nehmen, dass derartige nicht bewusst herbeigeführten Ausfälle arbeits- oder gehaltstechnische Konsequenzen nach sich ziehen werden
  • Fehler passieren oder ein Projekt fährt an die Wand
    • Häufige Reaktionen:
      • Vorwürfe, so etwas hätte nicht passieren dürfen
      • Hinterfragen der Kompetenz und der Erfahrung
      • Erinnern an Eskalationsketten und Verantwortung
    • Positivere Herangehensweise:
      • Vermitteln, dass Fehler jedem passieren können und dass daraus gelernt werden kann
      • Gemeinsam herausarbeiten, an welcher Stelle Probleme auftraten und bei erkannten Wissenslücken entsprechende Schulungen vereinbaren
      • Hinterfragen der eigenen Projekt- und Führungsstruktur, um zukünftig derartige Fehler früher zu erkennen und abfangen zu können

Die genannten Beispiele decken zu großen Teilen die Kommunikation zwischen Hierarchiestufen ab, bei denen also die Reaktion beim Vorgesetzten oder Projektverantwortlichen liegt. Für den Umgang auf derselben Hierarchieebene gilt aber im Grunde dasselbe: Vorwürfe und Unwillen schaffen eine Barriere, die verhindern kann, dass offen miteinander kommuniziert wird.

Eigene Erfahrungen

Ich bin im Grunde schon ausgebrannt und depressiv zu meinem aktuellen Arbeitgeber gewechselt, ohne zu diesem Zeitpunkt davon selbst etwas zu wissen. Ich tat mich schwer, mich in die Themenfelder selbstständig einzuarbeiten, fühlte mich (ebenfalls ohne zu wissen, wieso) bei den Penetrationstests immer unwohl und unfähig, obwohl ich anscheinend ganz brauchbare Arbeit ablieferte und kam generell nicht so richtig in Schwung. Das positive Umfeld und der respektvolle Umgang untereinander und auch mit Kunden half mir aber, nicht aufgrund von Selbstzweifeln einfach alles hinzuwerfen.

Dann kam die Depression mehr und mehr durch. Es fing damit an, dass ich nach Kundenaufträgen die Anfertigung des Berichts immer weiter nach hinten schleifen lief und schließlich erst kurz vor der Deadline überhaupt erst anfing, daran zu arbeiten. Das gipfelte darin, dass ich erst in der Nacht vor Abgabe den Bericht schrieb und danach einen meiner Kollegen in die unangenehme Position brachte, innerhalb weniger Stunden noch eine Qualitätssicherung der Dokumente vorzunehmen. Das war der Moment, in dem ich ärztliche Hilfe suchte und die Depression diagnostiziert wurde.

Einige Wochen oder Monate später schaffte ich es gar nicht mehr, auch nur eine Zeile Bericht zu schreiben, häufig war es sogar zu anstrengend, morgens das Bett zu verlassen. Ich vernachlässigte nicht nur im Privaten, sondern auch im Beruflichen meine Verpflichtungen und wurde unplanbar.

Ich bin damals relativ offen mit der Diagnose umgegangen und informierte meinen Vorgesetzten über alles, was meine Arbeitsfähigkeit beeinflusste. Gemeinsam erarbeiteten wir Möglichkeiten, wie ich weiterhin im Team arbeiten konnte, zum Beispiel schufen wir eine Möglichkeit, dass ich die Berichte mit Unterstützung eines weiteren Kollegen schreiben konnte. Generell wurde meine Arbeitslast gesenkt und ich wurde vermehrt für unterstützende Tätigkeiten in der Forensik eingesetzt anstatt die Systeme der Kunden aktiv zu testen.

Die depressiven Phasen blieben, wurden mal mehr, mal weniger schlimm. Es gab viele Gespräche mit meinem Vorgesetzten, die immer sehr verständnisvoll waren und von dem Wunsch geprägt wurden, mich sinnvoll einzusetzen, aber mir auch eine Heilung zu ermöglichen.

Irgendwann entschloss ich mich, in den Incident Response-Bereich zu wechseln. Die Team-Mitglieder kannte ich bereits seit Jahren und verstand mich blendend mit ihnen. Zudem half mir der neue Arbeitsbereich, mich neu zu fokussieren und Reserven zu reaktivieren, von denen ich gar nicht wusste, dass sie da waren. Vermutlich kickte an dieser Stelle mein ADHS maximal, denn eine neue spannende Aufgabe löst zumindest kurzzeitig oft einen Fokus aus, der den Depressionserscheinungen entgegen steht. Dadurch, dass jeder Einsatz komplett anders war als der vorige, hielt die Arbeitsfähigkeit fast zwei Jahre an, bevor die Depression wieder die Oberhand gewann.

Auch hier war meinem ersten und danach der neuen Vorgesetzten von Anfang an klar, woran sie waren. Die regelmäßigen Feedback-Gespräche drehten sich von Anfang an primär darum, meine vorhandene Arbeitskraft sinnvoll einzusetzen und dass ich mich damit wohl und nicht überlastet fühlte. Zu Zeiten, in denen die Depression die Führung übernahm, wurden mir alle Freiräume geschaffen, die ich benötigte, um wieder auf die Schiene zu kommen. Es wurden Möglichkeiten gesucht und oft auch gefunden, mir Ängste zu nehmen und weiterhin eine Arbeitsumgebung bereitzustellen, die dazu beiträgt, die Heilung zu begünstigen.

Ein wichtiger Punkt war oft die Frage danach, was mir persönlich gerade helfen und gut tun würde. Die Antwort war oft gar nicht so einfach zu finden, denn vieles musste ich einfach erst einmal ausprobieren und hatte davor nur eine vage Ahnung, was es für mich bedeuten würde. Zuletzt bedeutete das, dass ich aus dem aktiven Incident Response-Team ins dahinter stehende Operations-Team wechselte, um dort die Kollegen zu unterstützen und speziell die Bandarchivierung unter meine Fittiche zu nehmen. Kurzfristig trat der erwartete Effekt auf: Ich konnte mich voll in meine Themen vertiefen und hatte keine Probleme, meine volle Arbeitsleistung zu erbringen. Doch nachdem die Grundlagen erarbeitet waren, ließ der Schaffensdruck wieder nach und ich dümpelte wieder monatelang vor mich hin, mit kurzen Aktivitäts-Spikes.

Aktuell steht die Übergabe meiner OPS-Tätigkeiten und meine Rückkehr in die aktive Fallbearbeitung an. Nicht ganz ohne Ängste und leichte Bauchschmerzen meinerseits, aber auch hier bin ich mir sicher, dass wir einen Modus finden werden, mit dem ich arbeiten kann.

Was sich über all die Jahre hinweg durchzog war die Unterstützung all meiner Vorgesetzten und Kollegen bis hin zur Firmenleitung. Sicher, es gab von Zeit zu Zeit Rückfragen, wie es denn um meine Arbeitsfähigkeit stehe, auch aus finanztechnischen Gründen. Mindestens genauso oft kamen aber auch Rückfragen bezüglich meiner Gesundheit und wie es mir gerade geht. Meine Vorgesetzten hielten mir den Rücken frei anstatt mich an Stellen einzubinden, die absehbar nicht funktionieren würden. Das Ziel wurde immer wie folgt kommuniziert: “Wir möchten Dich mit Deiner Erfahrung und auch als Menschen noch lange in der Firma behalten” - und auch, wenn sich das für mich persönlich immer sehr über-positiv und weichgespült anhörte, war es ehrlich gemeint. Und wenn man es aus Sicht der Firma sieht ergibt es auch Sinn: Einen Mitarbeiter, der schon viele Jahre dabei ist und Erfahrungen in diversen Unternehmensgebieten hat, der die meisten anderen Mitarbeiter*innen kennt und der die Unternehmenskultur lebt, möchte man nicht verlieren. Auch wenn die eigentliche Arbeitsleistung unter der der “gesunden” Kolleg*innen zurückzustehen scheint.